Michel-in Michel-out

Hauptkirche St. Michaelis, Hamburg

Wer die Welt staunend und mit offenem Gemüt betrachtet, dem wird sein Staunen ganz alleine zum Gebet.

Innen wie außen, der Hamburger "Michel", wie er liebevoll genannt wird, ist mehr als nur eine langweilige Touristenattraktion. Er ist auch mehr als nur ein Stück Deutscher Geschichte. Dreimal ist er abgebrannt und dreimal ist er wie Phönix aus der Asche wieder erstanden. Auf seinem Kirchturm wurde durch Johann Friedrich Benzenberg im Jahre 1802 zum ersten Mal die Erdrotation durch Fallexperimente bewiesen, ein halbes Jahrhundert bevor Foucault seine Pendelversuche durchführte. Auf seiner Turmplattform kann man ganz Hamburg übersehen, und so manches Segelschiff hat sich elbaufwärts am Turm entlang navigiert.

Unten in der Krypta ist die Baugeschichte dokumentiert. Die Turmuhr ist die größte ihrer Art in Deutschland. Der Michel hat neben anderen seine "Jahrtausendglocke", und der Michel besitzt sage und schreibe ganze 5 Orgeln, darunter die große Steinmeyer-Orgel mit 6674 Pfeifen.

Die Große Steinmeyer-Orgel, Hauptkirche von St. Michaelis

Was hat der Michel dem Besucher außer diesen Superlativen noch alles zu bieten? Charme, Ruhe, Besinnung, Konzerte. Wer sich mit der Bach'schen Musikerfamilie näher vertraut machen möchte, der findet in der Krypta deren Stammbaum direkt über der Ruhekammer des Carl Philipp Emauel Bach, dem berühmtesten der Bachsöhne und zu seiner Zeit berühmter als sein Vater. Seine musikalische Empfindsamkeit scheint sich auch noch lange nach seinem Tode in der gesamten Atmosphäre der Kathedrale widerzuspiegeln.

St. Michael, der Drachentöter findet sich innerhalb wie außerhalb der Kirche als Motiv, dem Reformator Luther ist an der Eingangsfront eine übermannsgroße Sockelstatue gewidmet.

Ob man denn auch beten kann in diesem Haus Gottes, so will der interessierte Christ wissen. Wer staunend und mit offenem Gemüt durch diese Kathedrale wandert, dem wird sein Staunen ganz von alleine zum Gebet. 

Die Fotos wurden am 23. Juli 2010 aufgenommen.

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Ein Blutwunder und eine wundervolle Kathedrale

Kathedrale von Orvieto

Wunder lassen sich hervorragend in bare Münze verwandeln.

Orvieto ist eine kleine Stadt in Umbrien in der Provinz Terni in Italien. Ihre gesamte Altstadt liegt auf einem Felsplateau aus Tuffgestein, in dem ein Labyrinth von Kellern, Gängen und riesigen Zisternen durchzogen ist. Direkt unterhalb des Stadtfelsens befinden sich zahlreiche etruskische Gräber.

Von Orvieto und seiner reichen Geschichte zu erzählen führt leicht in Versuchung, einen ganzen Roman zu schreiben. Alles an Orvieto ist überwältigend - sei es die Kathedrale im Zentrum der Altstadt, sei es die Altstadt selbst, die umgebende Landschaft, aus der Orvieto wie ein strahlender Diamant herausragt, oder seine Geschichte, die sich zurück bis in das 12. Jahrhundert v. Chr. belegen und berichten ließe.

Besonders eindrucksvoll ist die Kathedrale von Orvieto. Wenn man aus den dunklen mittelalterlichen Gässchen der Altstadt heraustritt auf den freien Platz vor der Kirche, steht man staunend vor einem Kunstwerk, das viele Jahrhunderte überdauert hat und seinerseits auf den Fundamenten eines etruskischen Tempels ruht.

In der nicht weit entfernten Stadt Bolsena geschah eines Tages im Jahre 1263 ein Wunder. Aus einer Hostie tropfte plötzlich während der Wandlung Blut. Man brauchte einen Platz für die Relikte des Blutwunders, und so baute man dieses Kunstwerk an Kathedrale. In einer Seitenkapelle der Kathedrale sind noch heute das blutbespritzte Messtuch sowie Partikel der heiligen Hostie als Reliquien aufbewahrt.

Manchmal braucht es eben ein Wunder, wenn man ein neues Kirchlein bauen will! Denn das kostet Geld und solches muss man dem Volke verklickern. Die Orvietaner und vor allem der Klerus hatten nämlich mit Sicherheit schon vorher den Entschluss gefasst, eine neue Kathedrale zu bauen. Sie waren bereits seit geraumer Zeit gezwungen, in anderen Kirchen der Stadt die Messe zu halten, weil die alte Kirche Santa Maria immer unzugänglicher geworden war

Die basilikale romanische Form der dreischiffigen Kirche wandelte sich mit der Zeit ins Gotische, mit den typischen Kreuzgewölben der Apsis. Dann wurde, nunmehr in rein gotischem Stil, das Querschiff mit der quadratischen Apsis verwirklicht. In deren Mitte öffnet sich das große Vierbogenfenster. Die erhobene Fassade, die wie ein riesiger kostbarer Reliquienschrein wirkt, entstand um das Jahr 1310.

Im Sockelbereich der Fassade befinden sich Wandreliefs, die gegen Berührung durch Glas geschützt wurden. Ein unbekannter Künstler hat sie ab 1310/20 auf einer Fläche von 112 m² angebracht. Ihr Thema ist die Entstehungsgeschichte des Menschen, das Geheimnis der Erlösung und seine Endbestimmung.

Die berühmte Capella Nuova enthält einen großen Freskenzyklus von Luca Signorelli mit dem Thema der Geschichte des Antichristen - Das Ende der Welt. Diese Fresken sind in der Geschichte der italienischen Malerei von herausragender Bedeutung.

Das Foto wurde am 17. September 2010 aufgenommen.

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Magische Welt aus Eis

Eine jede Nation, ein jeder Künstler, gestaltet mit dem, was sie und er in seiner Außenwelt vorfindet, und sie beide gestalten es zu dem, was ihnen in ihrer Innenwelt begegnet.

In Kanada mit seinen riesigen Baumbeständen fanden wir das Holz, um daraus Kunst zu machen. Hoch oben in Norwegen, in der Hauptstadt der Lofoten mit seiner Eises-kälte entdeckten wir, was liegt näher, eine Kunst aus Eis. Wir erlebten einen Kunst-genuss - im wahrsten Sinne des Wortes - der besonderen Art.

Svolvær ist die Hauptstadt der Lofoten. Unweit der Anlegestelle der Hurtigruten-Schiffe am Hafen wurde im Jahre 2004 Norwegens erste Eis-Bar und Galerie angelegt, in der alle Gegenstände aus kristallklarem Eis bestehen. Schon beim Betreten des Raumes schlägt dem Besucher die Kälte entgegen, so dass er gerne das Angebot annimmt, einen der bereithängenden 'Pinguin-Coats' überzuziehen. Man betritt eine Bar und bekommt ein Getränk seiner Wahl gereicht. Dann ist es Zeit, die magische Welt aus Eis zu erkunden, die man betreten hat.

Eine kleine Gruppe von internationalen Künstlern gestaltet diese Welt und hält sie instand. Man findet dort alles vor, sorgfältig in Eis geformt, was den Bewohnern der Lofoten wichtig ist und zum festen Bestandteil ihres täglichen Lebens gehört. Die Objekte erzählen die Geschichte der Natur, die Traditionen und das Leben der Fischer auf den Inseln der Lofoten. Eindrucksvolle Beleuchtungen, untermalt mit klangvoller Musik, schaffen eine zauberhafte Atmosphäre, die man nicht beschreiben kann; man muss sie erleben! Bilder und Kerzenschein runden diese Atmosphäre ab.

Hier ist das Leben auf den Lofoten zu Eis geronnen. Die Geschichte der Menschen dort, ihre kulturellen Traditionen, Tier- und Pflanzenwelt der Region, der Reichtum an Fischgründen, tragische Schiffsunglücke und ihre Wracks, Fischerdörfer zwischen steilen Bergen und mächtigen Wassern eingebunden, Glaube und Aberglaube, Trolle, Nuymphen und sonstige Gestalten der reichen norwegischen Märchen- und Sagenwelt, alle diese Themen haben hier ihren eisigen Platz erhalten.

Diese Ausstellung geht also weit über das bloße Betrachten der Kunstwerke hinaus. Sie erzählt einen Teil der Geschichte Norwegens auf eine ganz ungewöhnliche Art. Sie versucht auch, die Stimmungen der Jahrhunderte einzufangen und darzustellen, den Schrei der Möwen, die über den Fischern kreist, das Gewitter an einem Wintertag, Fischer, wie sie über ihren Fang diskutieren - und von Ferne das Tuten der Hurtigruten; auch ihre Postschiffe sind fester Bestandteil des Lebens auf den Lofoten geworden. Die Gefühle der Menschen, die dort leben, ihre Freuden und ihr Leid - hier sind sie zu kristallklarem Eis geronnen. Im Bild festgehalten haben wir sie am 4. Juli 2009.

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Kunst am wilden Yukon

Moose Creek Lodge, Yukon, Kanada

Über der Frage, was Kunst sei, scheiden sich die Geister. Ganz sicher aber ist Kunst die Projektion einer inneren Welt nach draußen. Man muss das Erfahrene verarbeiten, um es, vergegenständlicht, handhaben und ihm so einen Sinn verleihen zu können.

Am Yukon sind die Winternächte lang und kalt. Da können die Temperaturen nachts schon mal bis unter die 40 Grad minus sinken. Der Rekord liegt bei minus 63 Grad, das ist die tiefste jemals in Kanada gemessene Temperatur, und das war am Yukon. Da tröstet es in dieser Zeit auch nicht, dass im Gegenzug die Werte im Sommer auf bis zu 30 Grad über Null steigen.

Es ist sinnvoll, man sucht sich eine angenehme Beschäftigung für die langen Winternächte. Holz ist genügend vorhanden, was also liegt näher, als sich die Zeit mit Schnitzarbeiten zu vertreiben. Einige der 'Kunstwerke' sind mir auf der Fahrt zwischen Dawson City und Whitehorse an der Moose Creek Lodge begegnet. Lokale Künstler haben geholfen, die Umgebung der Lodge zu gestalten.

Pickup mit Elchgeweih

In diesem Teil Kanadas sind die Menschen gegenüber den Tieren in der Minderheit. So verwundert es auch nicht, dass mancher Elch an der Kühlerhaube eines Pickup sein trauriges Ende gefunden hat. Warum nicht sein Geweih als Trophäe nutzen. Ob das allerdings hilft, andere Elche von einer unheilvollen Begegnung abzuhalten, ist nicht überliefert.

Es leben am Yukon auf 482.000 Quadratkilometern nicht einmal 30.000 Menschen, davon alleine 25.000 in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon. Die restlichen 5.000 Menschen teilen sich das riesige Gebiet mit rund 50.000 Elchen, 200.000 Karibus und etwa 20.000 Bären.

Stilisierte Elche an antiker Tanksäule

Der amerikanische Elch, den die Kanadier 'Moose' nennen, ist neben den Karibus Nahrungsquelle für die Menschen und ständig sichtbar, wenn man durch die Wildnis streift oder mit dem Kanu durch den Yukon paddelt, jener Fluss, welcher der Landschaft seinen Namen gegeben hat. Kein Wunder also, dass diese Tiere auch Einzug in die Kunst des Yukon gefunden haben.

Größter Moskito der Welt ...

Besonders geplagt sind Mensch und Tier im Sommer von den Moskitos, vor allem in Flussnähe und auf den Flussläufen. Kein Wunder, dass diese 'traumatischen' Plagegeister dann im Winter 'psychologisch' verarbeitet werden müssen. Sie werden in Holz geformt, wo sie wenigstens nicht mehr pieken können. Die hier vorgestellten Spezies haben dadurch richtig sympathische und liebevolle Züge angenommen.

Das Yukon Territorium reicht im Süden bis an die Provinz British Columbia. Im Norden ist das Eismeer die Grenze, im Osten sind es die kanadischen Northwest Territories. Alaska, das mit viel Phantasie wie eine 'Bratpfanne mit Stiel' aussieht, begrenzt den westlichen Teil des Yukon.

... mit einer Kette vor Diebstahl geschützt ...

Trotz der geringen Einwohnerzahl gibt es mehr als 4500 Kilometer Straße, die durch das Territorium führen. Sowohl die legendären Goldgräberstätten als auch die Orte der Ureinwohner nördlich des Polarkreises lassen sich über sie erreichen. Manche Strecken gleichen jedoch eher einem Abenteuertrip denn einer gemütlichen Spazierfahrt; es gibt dort weder Tankstellen noch Pannenstationen, die einem im Notfall weiterhelfen können.

... und hier zum Abflug bereit

Der Mount Logan ist mit 5959 Metern der höchste Berg Kanadas. Er liegt im Südwesten des Territoriums. Der Yukon Fluss gehört mit rund 3000 Kilometern zu einem der längsten Flüsse Nordamerikas. Solche Rekorde können eben nur die Moskitos toppen: Sie sind so zahlreich, dass sie fast allgegenwärtig sind, an den Bergen, an den Flüssen und deswegen eben auch in der Kunst.

Die Aufnahmen stammen vom 27. Juli 2008.

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Der König badet und der Bischof verduftet

Civita di Bagnoregio, Latium, Italien

Dem Volke lässt es sich leicht aufs Maul schauen. Doch schaut man den Oberen unter die Kutte, guckt auch nur ein armes Menschlein hervor.

Irgend ein König der Westgoten wird es wohl gewesen sein, der, hoch über der Schlucht und abgeschottet von seinen Feinden es wagte, auf diesem Tuffsteinfelsen in Ruhe sein Bad zu nehmen. Diesem Ereignis verdankt die kleine Stadt auf dem Felsen ihren Namen, denn sie hieß ursprünglich Balneum Regium - Bad des Königs. Und wo Könige baden, da kann man auch heilsame Quellen vermuten.

Dies tat man auch in Papstkreisen, denn nicht allzu lange danach, im 6. Jahrhundert kam Papst Gregor der Große ins Spiel und man gründete auf dem Felsen einen Bischofssitz. Durch das ganze Mittelalter hindurch erlebte Bagnioregio eine wechselvolle Geschichte - kein Wunder, denn solche schwer einnehmbare natürliche Anlagen waren überall heiß begehrte Objekte, nicht nur in Italien.

Doch der Feind des Klerus kam von innen, nicht von außen. Er kam direkt aus dem Inneren der Erde. Als im Jahre 1695 Bagnoregio von einem heftigen Erdbeben durchgerüttelt wurde, verlegte der Bischof seinen 'Firmensitz' eilig herunter von dem Tuffsteinfelsen und hinab in die Ebene.

Das heutige Bagnoregio war, wenngleich es zu den schönsten Städten Italiens zählt, eine sterbende Stadt geworden. Die Stadt auf dem Berg war nach und nach aufgegeben worden, da die schwer zugängliche und ständig durch Erdrutsche gefährdete Stadt zunehmend erodierte. In der Zeit um 1990 gab es in der 'sterbenden Stadt' nur noch zwischen sieben und fünfzehn verbliebene ältere Einwohner. Inzwischen haben einige findige Künstler die Stadt ein wenig neu belebt, sie aufgemotzt und zu ihrer Enklave gemacht. Auch der internationale Tourismus hat die Stadt mittlerweile für sich entdeckt und vor allem Amerikaner geben sich gerne ein Stelldichein in diesem reizenden halbtot-halblebendigen romantischen Städtchen.

Es gibt keine Autos in der Stadt! Lediglich eine Fußgängerbrücke führt hinüber nach Bagnoregio und für die Fauleren unter den Touristen hat man inzwischen einen Bus-Pendelverkehr eingerichtet. Doch die Stadt selbst will zu Fuß er-fahren werden. Da gibt es dann eine Menge gepflasterte kleine Gässchen, einen Brunnen an der Piazza San Donato und die gleichnamige Kirche; sie war eintausend Jahre lang Kathedrale und Bischofssitz. Ausstellungen römischer und etruskischer Funde sind zu sehen, an vielen alten Häusern mit schlechter Bausubstanz, fast so brüchig wie der Fels, auf dem sie stehen, kommt man vorbei. Wer den Blick an den Resten der alten Stadtmauer entlang und hinab ins Tal gleiten lässt, der genießt einen Ausblick von unbeschreiblicher Schönheit auf die Landschaft Latiums.

Wenn man dann Bagnoregio durch das alte Stadttor, weit über dem Abgrund stehend, wieder durchschritten hat, hat man das Gefühl, eine unwirkliche, übernatürliche Welt hinter sich zu lassen und wieder in das wirkliche Leben hinaus zu treten.

Die Aufnahme stammt vom 20. September 2010.

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Wo der Vorhang fällt

Teil der Rideau Falls in Ottawa, Kanada

Ein Vorhang erfüllt in der Regel den Zweck, Dinge zu verbergen. Damit weckt er aber zugleich unsere Neugierde; die Neugierde nämlich zu erfahren, was hinter dem Vorhang wohl verborgen sein mag. Diese Art von Neugierde ist eine positive, treibende Kraft. Ganz gleich, ob die Reise zum Mond oder nun zum Mars, ganz gleich, ob mit dem Schiff auf Entdeckungsreise nach Amerika oder mit dem Kamel auf der Seidenstraße nach Indien - immer galt es, Vorhänge zu öffnen, um die dahinter liegenden Geheimnisse erfahren zu können.

In der Nähe vom Zentrum Ottawas, unweit der Stelle, wo mir der schwimmende Reisebus entgegenkam, stürzen die Fluten des Rideau River über mehrere Kaskaden hinab in den Ottawa River. Besonders imposant ist das Naturschauspiel zur Zeit der Schneeschmelze, aber auch zu 'normalen' Zeiten sind die Kaskaden recht beeindruckend. Man kann mit dem Boot bis auf wenige Zentimeter an sie heranfahren, das Wasser scheinbar mit den Händen greifen, so Wasser sich denn greifen ließe.

Die Wasserfälle, die wir hier sehen, wurden die "Rideau Falls" genannt. Rideau ist das französische Wort für "Vorhang", und in der Tat erinnert das fallende Wasser irgendwie an einen zugezogenen Vorhang. Was mag wohl dahinter stecken?

Bei den Rideau Falls handelt es sich um zwei Wasserfälle, die dicht nebeneinander liegen, durch eine kleine Insel voneinander getrennt und über eine Brücke miteinander verbunden. Sie befinden sich in Ottawa, wo der Rideau River sich über diese Wasserfälle in den Ottawa River ergießt. Die Insel zwischen den beiden Mündungen wird Green Island genannt und auf ihr befindet sich die alte Stadthalle von Ottawa.

Obwohl die Rideau Falls das Ende eines Flusses bedeuten, hat man wegen ihrer beeindruckenden Erscheinung gleich den ganzen Fluss nach ihnen benannt. Neben dem Rideau River wurde aus strategischen Gründen auch ein Kanal gebaut. Für ihn waren die Fälle ebenfalls Namensgeber, denn der Rideau Kanal verbindet als eine Art Bypass verschiedene Teile des Rideau-Rivers miteinander. Auch er mündet schlussendlich über verschiedene Staustufen in der Stadt Ottawa in den Ottawa River. Diese Stufen sind einzigartig auf der Welt, sie werden noch heute per Hand betrieben. Der Rideau Kanal wurde von der UNESCO zu einem Weltkulturerbe ernannt, denn er ist die älteste ununterbrochen benutzte künstliche Wasserstraße in Nordamerika. Der Kanal wurde 1832 eröffnet und ist 202 km lang.

Die strategischen Gründe für den Bau des Kanals waren genau genommen militärische Gründe. Auch nach Ende des britisch-amerikanischen Krieges konnten britische Versorgungsschiffe nicht ohne Gefahr den üblichen Weg über den St. Lorenzstrom benutzen, denn im Grenzbereich des Stromes musste ständig mit Blockaden durch die amerikanische Seite gerechnet werden. Aus dieser Situation heraus entstand der Plan für den Rideau Kanal. Er sollte eine Ersatzstrecke zwischen Ottawa nach Kingston und damit zum Ontariasee schaffen. Zu der Zeit, als dieser Bypass entstand, nannte sich auch Ottawa sinnigerweise noch "Bytown". Später entstand dann der heutige Name aus dem indianischen Wort der Algonkin für 'Händler', da diese sich ursprünglich an dieser Stelle als Händler niedergelassen hatten.

... und so könnte man den Vorhang noch Stück für Stück weiter liften und viele andere interessante Geheimnisse lüften. Die Fotos habe ich am 2. Juli 2011 gemacht.

Die Rideau Falls aus der Distanz, mit Insel und Brücke

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Abgetaucht

Bartenwal auf Tauchgang, Valdés, Argentinien

Der Mensch ist Teil der Schöpfung auf dieser Erde. Wenn durch sein (un)bedachtes Handeln ein Lebewesen nach dem anderen 'abtaucht', wird auch der Mensch selbst, die angebliche Krone der Schöpfung, mitsamt seiner Krone bald abgetaucht sein.

Die argentinische Halbinsel Valdés in der Provinz Chubut an der Atlantikküste  ist mit gutem Grund auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO zu finden. Die nach Osten in das Meer hineinragende Halbinsel mit ihren 400 km Küstenlinie beherbergt eine Reihe von Buchten, felsigen Klippen und flachen Lagunen mit ausgedehnten Wattflächen. Auch Sand- und Kiesstrände, Sanddünen und kleine Inselchen sind dort zu finden. Wegen des gemäßigten Klimas ist Valdés für eine ganze Reihe bedrohter Tierarten ein idealer Aufzuchtplatz. Es werden bedeutende Anstrengungen unternommen, um diesen Ort für die Tierpopulationen zu erhalten.

Da sind zunächst die südlichen See-Elefanten und Seelöwen zu nennen, die sich hier hervorragend entwickeln und inzwischen sogar eine wachsende Population aufweisen. Aber auch die Magellan-Pinguine genießen hier einen besonderen Schutz. Diese Pinguinart gräbt sich Nester in das Erdreich, um ihre Eier vor Fressfeinden zu schützen. Hier auf Valdés gibt es fast 40.000 aktive Nester, die sich auf 5 verschiedene Kolonien verteilen. Man kann die Tiere zwar besuchen, jedoch wird streng darauf geachtet, dass die vorgeschriebenen Pfade nicht verlassen werden.

Das üppige Nahrungsangebot lockt auch Orkas aus dem Atlantik an die Strände von Valdés. Eigens zur Jagd von Pinguinen, Seelöwen und See-Elefanten haben sie eine spezielle Jagdtechnik entwickelt: Die Orkas stürzen sich aus dem Wasser heraus auf den Strand und schnappen sich dort ihre arglosen Opfer. Danach lassen sie sich, mit ihrer Beute im Maul, wieder in die Brandung zurückfallen - ein außergewöhnliches Beispiel für die Anpassung der Jagdtechniken dieser Tiere.

Die Küsten und Gewässer rund um die Halbinsel sind ein besonderer Ort für Meeressäuger. Eine Population der südlichen Glattwale nutzt die geschützten Gewässer zur Paarung und zum Kalben. So ist dort immer eine große Anzahl von Muttertieren mit ihren Jungen anzutreffen.

Auch sonst hat die Halbinsel eine große Vielfalt an Fauna zu bieten. Zahlreiche Vogelarten geben sich ein Stelldichein - die Halbinsel ist Gezeitenzone; Watt und Lagunen sind wichtige Zwischenstation für Zugvögel! An Landsäugetieren kann man große Herden von Guanakos antreffen, die sich auf die ganze Halbinsel verteilen. Auch Maras, die Pampashasen, die mit unseren Meerschweinchen verwandt, aber nur noch selten in Argentinien anzutreffen sind, findet man hier. Und zwischen den Büschen im Gestrüpp lässt sich bei der Durchfahrt auch ab und zu ein Nandu oder auch eine ganze Nandufamilie blicken.

Der einzig bewohnte Ort auf Valdés ist das kleine Dorf Puerto Píramide. Es ist noch nicht besonders touristisch erschlossen, lediglich eine Tankstelle mit Motel und Campingplatz sind zu finden. Von hier aus werden jedoch auch Walbeobachtungen vom Boot aus veranstaltet. Die Boote werden am flachen Strand von einem Traktor in das Wasser geschoben und nach der Beendigung der Tour wieder herausgezogen. Es finden sich hier hauptsächlich Bartenwale, von den Einheimischen Nuevos genannt. Sie kommen in der zweiten Jahreshälfte aus der Antarktis hier her, um sich fortzupflanzen. Die Tiere sind sehr spielfreudig, lieben es, sich den Booten zur Schau zu stellen, unter ihnen hindurch zu tauchen, oder nach einem Prusten und einer Fontäne spektakulär mit ihrer 'Fluite' abzutauchen. So kurzweilig wie dieses 'Whalewatching' habe ich noch selten eine Tierbeobachtung erlebt. Das Foto wurde am 11. November 2009 aufgenommen.

Leider sind die Bestände dieser Tiere in der Folge von Umweltverschmutzung und Überfischung deutlich zurück gegangen. Wie bei vielen bedrohten Tieren könnte es sein, dass auch dieser Riese der Meere in einiger Zeit endgültig abgetaucht sein wird. An die Vernunft des Menschen zu appellieren, alles zu tun, um dies zu vermeiden, wird wohl wie so oft, vom Winde verweht werden, bis es endgültig zu spät ist.

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Der Hades von Las Vegas

Freiheitsstatue in Las Vegas

Den Blick nach oben gerichtet stehst du nicht immer auf festem Grund. Drum blicke nach unten, worauf du gegründet, damit dich nicht unversehens die Unterwelt verschlinge.

Hades ist der mythologische Gott der Unterwelt und, um seine maßlose Herrschaft zu zementieren, nennt er sein Reich ebenfalls mit seinem Namen. Des Regenten Weib ist Persephone, und um die beiden zu besuchen, muss man einen Fluss überqueren, den Styx. Dafür entrichtet man selbstverständlich seinen Obulus. Am Ende der Welt führt dann eine Kluft in den Hades hinab. Dort wacht der Höllenhund Kerberos, verwehrt jedem Lebenden den Zutritt in das Totenreich und hindert jeden Toten, in die Oberwelt zurück zu kehren.

In der Oberwelt, dort herrscht ein gar lustiges Treiben und mancher Verstorbene würde sich wohl wünschen, doch noch einmal in das Reich der Lebenden zurück zu kehren. Dann würde er sicher in die Wüste Nevadas nach Las Vegas reisen, um verpasste Völlereien nachzuholen. Doch auch an diesem Ort muss man seinen Obulus entrichten - und dann geflissentlich übersehen, dass es auch hier eine ganz eigene Unterwelt gibt. Oder ist es eine Zwischenwelt? Denn die Lebenden wollen sie nach Möglichkeit übersehen, und die dort leben, sind noch nicht wirklich gestorben.

Im sagenhaften Las Vegas, der Welt des Glücksspiels mit seinen unzähligen Hotels, Casinos, Geldautomaten und Shows aller Art, begegnen sich im wahrsten Sinne des Wortes die Welten. Etwa vierzig Millionen Besucher 'aus aller Welt' werden Jahr für Jahr magnetisch angezogen. Elf Milliarden Dollar jährlich werden alleine in den Casinos umgesetzt. Von Glanz und Glamour sind die zur Schau gestellten surrealen Welten geprägt - und doch ist alles nur Pappmaché, Show, Künstlichkeit und Illusion.

Unter dem Ortsschild von Las Vegas wächst eine zweite surreale Stadt, die Stadt der unsichtbaren Obdachlosen. Zahllose Male wurde das Ortsschild versetzt, denn immer neue Casinos wuchsen aus dem Wüstensand. Der Stadtteil, in dem sich die Casinos befinden, nennt sich bezeichnenderweise 'Paradies'. Dunkel ist es, unter den Casinos im Paradies, kalt und feucht. Es riecht nach modriger Erde, Spinnweben hängen von der Decke, eine Ratte huscht davon im Kegel einer Taschenlampe.

Matthew O'Brien lebt seit Jahren in der Unterwelt von Las Vegas. Er hat ein Buch über das Leben dort geschrieben - 'Unter den Neonröhren' lautet sein Titel. Er erzählt, dass sich dort unten eine ganze Parallelgesellschaft aufhalte, Obdachlose, Räuber, Chunkies; Kriminelle, Geisteskranke und Poeten. Die Karrieren der Menschen sind alle ähnlich: Sucht, Knast, Obdachlosigkeit, dazu gesellt sich die Krankheit; Krankenversicherung gibt es keine im Paradies.

Die Menschen leben in einer Gegenwelt. Tagsüber schlafen sie, nachts streifen sie durch die Casinos und suchen nach Geld, das betrunkene Glücksspielgäste vergessen haben. Auch Wohnungsnot gibt es im Paradies. Die besten Plätze sind längst besetzt. Neuankömmlinge müssen immer tiefer ins Dunkle ziehen, wo es kein Licht gibt, wo tückische Gasansammlungen die Luft vergiften, wo es keinen Ausweg gibt, wenn die Flut aus der Kanalisation kommt.

Um das Essen müssen sich alle Obdachlosen selber kümmern. Der Stadtrat von Las Vegas hat vor Jahren die Ausgabe von Essen an Obdachlose in öffentlichen Parks verboten.

Sich als Tourist in diese Welt hinab zu begeben, dürfte wohl eher nicht ratsam sein. So kann ich nur den Blick nach oben richten und Ihnen ein Foto über der Erde anbieten. Die abgebildete Freiheitsstatue ist ebenso Pappmaché wie die Idee von Freiheit, für die sie steht. Und es bleibt die Frage: "Was ist das für eine Freiheit, deren Sockel auf der Not der Obdachlosen steht? Wie sicher mag solche Freiheit wohl gegründet sein?" Die Aufnahme wurde am 21. März 2007 gemacht.

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Wo rohe Kräfte sinnvoll walten

Ayers Rock/Uluru im Herzen von Australien

Sich biegen, um nicht zu brechen oder widerstehen und den harten Kern bewahren; die Natur bietet immer beide Möglichkeiten des Überlebens an.

Manchmal ist Erdgeschichte wirklich spannend, so auch bei der Entstehung des Uluru und der Kata Tjuta. In der Zeit des Frühen Kambriums vor etwa 590-540 Millionen Jahren, war Zentralaustralien von einem Binnenmeer bedeckt. Tief im Untergrund dieses Meeres bewegten sich im Erdmantel zwei große Erdplatten gegeneinander und übten einen enormen Druck auf das darüber liegende Gestein aus. In einem gewaltigen Erdbeben faltete sich der Meeresboden zu einer großen Gebirgskette auf. Diese Gebirgskette ist bekannt als die "Petermann Ranges".

Die Entstehung des Uluru ist dem Umstand zu verdanken, dass ein besonders harter Ablagerungsbrocken von weitaus weicherem und für Erosionen anfälligem Gestein umgeben war. Dieser feste "Gesteinsknödel" war nämlich in der Folgezeit weiteren Drücken aus dem Untergrund ausgesetzt. Durch diesen Druck aus der Tiefe drehte sich das Gebirge aus seiner waagrechten Lage heraus und um fast 90° in eine fast senkrechte Lage. Die Oberkante dieses Batzens war dann recht bald den Witterungen und der Sonne ausgesetzt, denn das sehr viel weichere darüber liegende und umgebende Material zerfiel recht schnell. Regen und Frost einerseits sowie die Hitze der Glutsonne andererseits zerrieben das Material und überließen es Wasser und Wind, die gemeinsam diesen "Abfall" aus dem Weg räumten.

Übrig geblieben war ein harter Inselberg. Zwar rieben an ihm die erodierenden Kräfte weiter, doch resultierte daraus lediglich eine Reihe von Löchern und Höhlen in dem Felsen. Der sichtbare Rücken des Uluru ist etwa 3,4 Kilometer lang. Er ruht auf einem unterirdischen Sockel, der etwa die gleiche Größe besitzt.

So, wie manche Geschöpfe in der Natur nur überleben können, weil sie sich, wie etwa eine Weide, den Kräften der Natur beugen, so konnte der Uluru im Gegensatz dazu nur deshalb bis heute „überleben“, weil er eben diesen Kräfte erfolgreich widerstehen konnte.

Wir können getrost auch weiterhin die roten Farben des Uluru bestaunen. Diese Farbe, woher kommt sie eigentlich? In dem Gestein des Berges ist Eisen enthalten. Dieses Eisen, nachdem es erst einmal an die Oberfläche gelangt war, oxidierte an der Luft und erzeugte in einem jahrtausendelangen Prozess jenes Rot, das wir heute bewundern.

Der Berg präsentiert sich jedoch nicht unverändert den ganzen Tag in derselben Farbe. Die unterschiedlichen Lichtverhältnisse während des Tages lassen den Berg mal rötlichgrau, mal violettrot erscheinen. Wenn man verschiedene Fotos mit unterschiedlichen Farbtönungen sieht, liegt das also nicht unbedingt an der Qualität der Kamera oder des Fotografen, sondern am Berg selbst, der sich verfärbt, als könnte er dadurch „seine jeweiligen Stimmungen ausdrücken“. Es wundert deshalb nicht, dass die Ureinwohner diesen Fels als ihren „Heiligen Berg“ betrachten. Für sie ist er ein göttliches Lebewesen.

Das Foto entstand am 16. Januar 2006.

BT 0047

Eine selige Stadt

Seligenstadt am Marktplatz

Liebe geht durch den Magen. Und Pfannkuchen können selig machen.

Es gibt bekannte Namen in der Geschichte, die an Orten immer wieder auftauchen, wo man sie am wenigsten vermutet hätte. Es scheint, als wären sie darauf erpicht gewesen, der Geschichte nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum ihre Spuren einzuprägen. In diesem Fall ist die Rede von Karl dem Großen, über den ich im Zusammenhang mit dem Aachener Dom schon einiges erzählt habe.

Hier hin, in ein altes römisches Kaff namens „Mulinheim Superior“, Obermühlheim, soll Einhard, der Biograf Karls des Großen, zusammen mit dessen Tochter Emma geflüchtet sein. Die Sage will es, dass Karl auf einer Durchreise, an dem unvergleichlichen Duft eines Pfannkuchens seine Tochter wiedererkannte und daraufhin den Aussprach tat: „So sei denn diese Stadt selig genannt, da ich hier meine Tochter wieder fand!“

Der heutige Besucher findet ein kleines Städtchen mit idyllischem mittelalterlichem Stadtkern vor, direkt an einer Mainschleife gelegen, an der mitten durch den Fluss die Grenze zwischen Hessen und Bayern verläuft. Eine Fähre verbindet die beiden Ufer. Für eine Brücke zwischen den beiden Ländern hat es, wohl aus Kostengründen, nie gereicht. So bleibt es demnach der Fähre vorbehalten, alljährlich hohe Verluste einzufahren.

Ein Spaziergang durch die engen Gässchen Seligenstadts vermittelt einen Hauch von Mittelalter, kleine alte schräge Fachwerkhäuschen mit niedlichen Blickfängen an den Fensterchen, ein Marktplatz, um den der Verkehr im Kreis herum und an den marktfreien Tagen auch mal quer über den Platz geführt werden darf. Da ist es angebracht, sich einen der wenigen Parkplätze zu suchen und zu Fuß durch den Ortskern zu schlendern, die wuchtige Einhard-Basilika zu besuchen, durch das Steinheimer Turmtor im Steinheimer Torturm zu schlendern, um sich danach die Muße zu gönnen, am Mainufer entlang die vorbeifahrenden Schifferinnen zu grüßen.

Wer hierher mit der Hektik seines Alltagslebens angereist ist, dem wird der Stress abfallen wie das Kleid der Magd im mittelalterlichen Schlafgemach, als der mittelalterliche Jüngling eintrat – so wird der Reisende mit einer seligen Ruhe wieder in seine Stadt nach Hause kehren.

Also immer schön die Ruhe bewahren, wenn das nicht mehr geht, nach Seligenstadt fahren! 

Das Foto wurde an einem marktfreien Freitag, am 21. Dezember 2007, aufgenommen.

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