O libertas cara

New York, Freiheitsstatue

Eine Statue mag den Traum von Freiheit symbolisieren, doch um wahre Freiheit zu erlangen, bedarf es der besten Seelenkräfte der Menschheit. 

In der Einfahrt zum New Yorker Hafen steht die Freiheitsstatue, deren erhobene Fackel Freiheit und Gerechtigkeit für alle verspricht. Sie gilt als würdige und bewegende Erinnerung an die Ideale, auf denen die Nation der Vereinigten Staaten von Amerika gegründet wurde.

Die Idee, die Freundschaft zwischen Frankreich und den USA (die bis in die Zeit der amerikanischen Revolution zurückreicht), mit einem Denkmal zu feiern, entstand 1865 auf einem von Éduard-René de Laboulaye veranstalteten Fest. Sechs Jahre später berief ein Komitee unter der Leitung Laboulayes den elsässischen Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi. Der reiste daraufhin in die USA, um sich mit dem Projekt näher zu beschäftigen.

Bartholdi hatte 1869 an der Eröffnungsfeier des Suezkanals teilgenommen, da er hoffte, den Auftrag für einen Leuchtturm zu bekommen, der am Eingang des neuen Kanals stehen sollte - vergebens. Er wendete nun seine Energie einem ähnlichen Projekt in den USA zu. Als er in New York ankam, fühlte er sich von der Erhabenheit des Anblicks und der Bedeutung dieses Ortes als dem wichtigsten "Tor zur neuen Welt" überwältigt und inspiriert. In dem Augenblick wusste er, dass das Denkmal eine Freiheitsstatue sein würde und dass eine der kleinen Hafeninseln vor dieser atemberaubenden Kulisse der beste Standort für sie wäre. Eine französisch-amerikanische Vereinigung wurde gebildet, die mit Laboulaye als Präsident Gelder beschaffen und alle Belange des Baus der Statue koordinieren sollte. Das Projekt wurde gemeinsam betrieben - die Franzosen kamen für die Statue auf, die Amerikaner für das Podest.

Bartholdi begann 1874 in Frankreich mit der Arbeit an der Statue. Zuerst fertigte er eine 1,2 m hohe Tonfigur und dann nacheinander drei jeweils größere Modelle aus Gips an, die verbessert und verfeinert wurden, bis schließlich die endgültige Größe erreicht war. Um als nächstes den Innenrahmen zu schaffen, der die Statue stützen sollte, wandte Bartholdi sich an den erfindungsreichen französischen Ingenieur Gustave Eiffel, der später den Eiffelturm bauen sollte. Indem er Konstruktionstechniken nutzte, wie sie auch für die Wolkenkratzer der 1880er Jahre verwendet wurden, erfand Eifel ein kompliziertes Gerüst aus Eisen und stahl, auf das 300 Kupferplatten (je 2 mm dick) festgemacht wurden, die die Außenwand der Statue darstellten.

Während der Arbeit an der Statue verdoppelten sich die Baukosten. Um ihr Ziel zu erreichen, brachten die Franzosen eine große Spendenaktion in Gang, und 1884 war die Statue fertiggestellt. Bei der Jubiläumsfeier am 4. Juli 1884 wurde die Statue dem US-Botschafter als Geschenk der Bürger Frankreichs überreicht. Nach den Feierlichkeiten wurde sie auseinandergenommen und in 220 Lattenkisten verpackt, um die Reise über den Atlantik in ihre zukünftige Heimat anzutreten. Die Gelder für den Sockel hingegen waren in Amerika noch nicht zusammengekommen. Der Arm mit der Fackel wurde zwar zur Freude vieler Besucher , die sich auf ihrem Balkon fotografieren ließen, 1876 bei der 100-Jahr-Ausstellung in Philadelphia ausgestellt, doch öffneten sich die Geldbörsen nur langsam. Um die Kampagne für den Sockelaufbau zu unterstützen, wurden Benefizbälle, Theater- und Sportereignisse und sogar ein Gedichtwettbewerb veranstaltet.

Der Arm mit der Fackel wurde 1884, wieder aus Benefizgründen, im Madison Square ausgestellt. Als 1885 immer noch nicht genug Geld vorhanden war und nun der Rest der Statue nach Amerika geschickt werden sollte, veröffentlichte das Komitee einen patriotischen Aufruf: "Wenn das Geld jetzt nicht fließt, muss die Statue zur Schande der Amerikaner nach Frankreich zurückkehren." Daraufhin gab es zahlreiche Spenden. Dank einer Aktion von Joseph Pulitzer, dem Herausgeber der New York World, war der Erfolg des Projektes gesichert. In seinen Leitartikeln kritisierte er die Reichen, die nicht einmal "die paar Pfennige" geben wollten, und forderte alle Amerikaner auf, es den spendenfreudigen Franzosen gleichzutun. Dazu versprach er, in seiner Zeitung den Namen jedes Spenders abzudrucken, ungeachtet der Höhe seines Beitrages. So bekam die Aktion neuen Schwung, und täglich gingen neue Geldbeträge ein.

Im Mai 1885 verließ das französische Schiff Isère mit seiner kostbaren Fracht den Hafen Rouens und landete ungefähr einen Monat später in New York. Bartholdi reiste wieder nach New York, um mit den dortigen Ingenieuren und mit Richard Morris Hunt, dem Architekten, der den Sockel entwarf, zu sprechen. Hunt war einer der führenden Architekten der Zeit, und sein Sockel war so entworfen, dass er in Charakter und Dimensionen perfekt zur Statue passte. Die Einweihung wurde am 28. Oktober 1886 begangen, ein offizieller Feiertag in ganz New York. Der Präsident Grover Cleveland fuhr zur Enthüllung der Statue mit dem Boot und einer Eskorte vonn 300 Schiffen zur Bedloe's Island (seit 1956 Liberty Island genannt). In- und ausländische Würdenträger hörten zuerst am Fuß des Sockels zahlreiche Reden, und als die Statue enthüllt wurde, ertönten Nebelhörner und ein Salut aus 21 Kanonenschüssen. Im selben Augenblick gingen die Lichter in der Krone der Freiheitsstatue an, ein symbolischer Hoffnungsstrahl, den der Anblick bald für Millionen von Menschen darstellen sollte, die in die neue Welt kommen würden.

Da die Statue im Laufe der Jahre mehr und mehr verfiel, wurde 1981 in Frankreich beschlossen, Liberty wieder in ihrem früheren Glanz erscheinen zu lassen. Drei Jahre lang wurde sie ausführlich untersucht, und es wurden Experimente gemacht, um ihre Standfestigkeit zu überprüfen. Dann wurde, mit der finanziellen Unterstützung Liberty-Ellis Island Foundation. Inc., unter der Leitung des emeritierten Vorsitzenden der Chrysler Corp. Lee Iacocca, mit der aufwändigen Restaurierung begonnen. In den fünf Jahren der mehrere Millionen Dollar teuren Arbeiten wurden die kupferne Haut der Statue gründlich gereinigt und einige irreparable tEile, darunter die Fackel, die Flamme und die 1700 Eisenstangen des Rahmens, ersetzt. Zusätzlich wurden neue Fahrstühle und Treppen installiert und ein Museum gebaut, das die Geschichte der Statue dokumentiert. Drei Millionen Besucher kommen jedes Jahr zu diesem Nationaldenkmal, das vom National Park Service verwaltet wird.

Nach dem 125. Jubiläum am 28. Oktober 2011 wurde die Statue erneut für etwa ein Jahr geschlossen, um im Inneren ein neues Treppensystem einzubauen, mit dem moderne Sicherheitsanforderungen erfüllt werden und künftig mehr Personen gleichzeitig die Statue besuchen können. Das Innere der Statue wird erst gegen Ende 2012 wieder zugänglich sein. Das heutige Bild des Tages wurde am 28. März 2007 aufgenommen.

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Der Hades von Las Vegas

Freiheitsstatue in Las Vegas

Den Blick nach oben gerichtet stehst du nicht immer auf festem Grund. Drum blicke nach unten, worauf du gegründet, damit dich nicht unversehens die Unterwelt verschlinge.

Hades ist der mythologische Gott der Unterwelt und, um seine maßlose Herrschaft zu zementieren, nennt er sein Reich ebenfalls mit seinem Namen. Des Regenten Weib ist Persephone, und um die beiden zu besuchen, muss man einen Fluss überqueren, den Styx. Dafür entrichtet man selbstverständlich seinen Obulus. Am Ende der Welt führt dann eine Kluft in den Hades hinab. Dort wacht der Höllenhund Kerberos, verwehrt jedem Lebenden den Zutritt in das Totenreich und hindert jeden Toten, in die Oberwelt zurück zu kehren.

In der Oberwelt, dort herrscht ein gar lustiges Treiben und mancher Verstorbene würde sich wohl wünschen, doch noch einmal in das Reich der Lebenden zurück zu kehren. Dann würde er sicher in die Wüste Nevadas nach Las Vegas reisen, um verpasste Völlereien nachzuholen. Doch auch an diesem Ort muss man seinen Obulus entrichten - und dann geflissentlich übersehen, dass es auch hier eine ganz eigene Unterwelt gibt. Oder ist es eine Zwischenwelt? Denn die Lebenden wollen sie nach Möglichkeit übersehen, und die dort leben, sind noch nicht wirklich gestorben.

Im sagenhaften Las Vegas, der Welt des Glücksspiels mit seinen unzähligen Hotels, Casinos, Geldautomaten und Shows aller Art, begegnen sich im wahrsten Sinne des Wortes die Welten. Etwa vierzig Millionen Besucher 'aus aller Welt' werden Jahr für Jahr magnetisch angezogen. Elf Milliarden Dollar jährlich werden alleine in den Casinos umgesetzt. Von Glanz und Glamour sind die zur Schau gestellten surrealen Welten geprägt - und doch ist alles nur Pappmaché, Show, Künstlichkeit und Illusion.

Unter dem Ortsschild von Las Vegas wächst eine zweite surreale Stadt, die Stadt der unsichtbaren Obdachlosen. Zahllose Male wurde das Ortsschild versetzt, denn immer neue Casinos wuchsen aus dem Wüstensand. Der Stadtteil, in dem sich die Casinos befinden, nennt sich bezeichnenderweise 'Paradies'. Dunkel ist es, unter den Casinos im Paradies, kalt und feucht. Es riecht nach modriger Erde, Spinnweben hängen von der Decke, eine Ratte huscht davon im Kegel einer Taschenlampe.

Matthew O'Brien lebt seit Jahren in der Unterwelt von Las Vegas. Er hat ein Buch über das Leben dort geschrieben - 'Unter den Neonröhren' lautet sein Titel. Er erzählt, dass sich dort unten eine ganze Parallelgesellschaft aufhalte, Obdachlose, Räuber, Chunkies; Kriminelle, Geisteskranke und Poeten. Die Karrieren der Menschen sind alle ähnlich: Sucht, Knast, Obdachlosigkeit, dazu gesellt sich die Krankheit; Krankenversicherung gibt es keine im Paradies.

Die Menschen leben in einer Gegenwelt. Tagsüber schlafen sie, nachts streifen sie durch die Casinos und suchen nach Geld, das betrunkene Glücksspielgäste vergessen haben. Auch Wohnungsnot gibt es im Paradies. Die besten Plätze sind längst besetzt. Neuankömmlinge müssen immer tiefer ins Dunkle ziehen, wo es kein Licht gibt, wo tückische Gasansammlungen die Luft vergiften, wo es keinen Ausweg gibt, wenn die Flut aus der Kanalisation kommt.

Um das Essen müssen sich alle Obdachlosen selber kümmern. Der Stadtrat von Las Vegas hat vor Jahren die Ausgabe von Essen an Obdachlose in öffentlichen Parks verboten.

Sich als Tourist in diese Welt hinab zu begeben, dürfte wohl eher nicht ratsam sein. So kann ich nur den Blick nach oben richten und Ihnen ein Foto über der Erde anbieten. Die abgebildete Freiheitsstatue ist ebenso Pappmaché wie die Idee von Freiheit, für die sie steht. Und es bleibt die Frage: "Was ist das für eine Freiheit, deren Sockel auf der Not der Obdachlosen steht? Wie sicher mag solche Freiheit wohl gegründet sein?" Die Aufnahme wurde am 21. März 2007 gemacht.

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