Naturwunder Patagonien

Patagonien ist eine Gratwanderung zwischen Zivilisation und unberührter Natur.

Sonntag, 15.11.2009. Es ist Nacht, genauer gesagt 3.00 Uhr am Morgen. Es dürfte bald Neumond sein und dem entsprechend hat sich die Dunkelheit über den See und das Gebirgsmassiv gelegt. Nur schemenhaft kann man die Silhouetten erkennen. Umso heller strahlen die Sterne am Nachthimmel, wieder einmal eine Gelegenheit zu überprüfen, was an früher Gelerntem noch vorhanden ist – Großer Wagen und all die anderen Sternzeichen wieder zu erinnern, die Millionen von seefahrenden Menschen den Weg in die fernen Gestade gezeigt haben. Was um alles in der Welt mag Menschen bewogen haben, sich in so einsame Gegenden wie diese hier verschlagen zu lassen? Die selbst für einen Schreiber wie mich fast unbeschreibliche Schönheit der Landschaft, die sich in wenigen Stunden wieder von Neuem entfaltet, um sich bewundern zu lassen – sie war sicher auch eines der Motive, hier zu landen, und manchmal auch zu stranden.

Die Torres del Paine sind ein kleiner Gebirgszug abseits der eigentlichen Anden und unabhängig von diesen entstanden, „nur“ 12 Millionen Jahre alt. Sie verdankt ihre Entstehung einer Magmablase, das sich unter der der Erdoberfläche gebildet hatte. Das Magma war damals nicht wie üblich nach oben durchgedrungen, sondern unter der Oberfläche erkaltet. Durch den Druck der tektonischen Platten aufeinander wurde das magmatische Gestein nach oben gedrückt und bildete so ein eigenständiges Gebirgsmassiv. Die Gesteinsformationen sind dementsprechend von den übrigen Anden recht deutlich zu unterscheiden.

Eine Reise wie die gegenwärtige in Gebiete wie das Hiesige ist immer auch eine Reise in die Vergangenheit, nicht nur der eigenen, sondern auch der gesamten Erdgeschichte, ja sogar der Geschichte des Universums. Dies eben wird mir bei der Betrachtung des grandiosen Sternenhimmels wieder einmal recht eindrucksvoll vor Augen geführt. 5,7 Milliarden Jahre geschichtlicher Entwicklung des Universums, was sind da schon da schon die 12 Millionen Jahre des „Babies“ Torres del Paine, das ja eigentlich erst noch von den Ereignissen des Erwachsenwerdens geschliffen werden muss! Solche Vorgänge spielen sich in anderen Ligen ab als unsere kleinen menschlichen Nöte.

Die Versorgung im Hotel ist vom Feinsten, für meinen Geschmack etwas zu fein. Zweimal am Tag werden die Zimmer gerichtet, das Sandmännchen sorgt natürlich für die obligatorische Gute-Nacht-Schokolade auf dem Kopfkissen. Der Koch, ein Italo-Franzose, zaubert zweimal am Tag ein Dreigänge-Menü auf die Tafel, auch das Frühstück lässt keine Wünsche offen. Ein Heer von Bediensteten ist allgegenwärtig, versucht, dir deine Wünsche von den Augen abzulesen.

Wir sind hier in einem der schönsten Nationalparks von Chile, die Chilenen sagen natürlich, von der ganzen Welt. Privater Autoverkehr ist nicht möglich, weshalb wir auch nicht, wie sonst bei unseren Reisen üblich, einen Privatwagen zur Verfügung haben. Aber der Shuttle-Service des Hotels ist ausnehmend gut organisiert, um die Mobilität der Gäste so gut es geht sicherzustellen. Nicht nur ein Heer von Fahrern, auch an die knapp 30 Guides, junge Leute, die entsprechend ausgebildet sind, sorgen für jede denkbare Information über die Gegend, über Land und Leute, über Flora und Fauna. Auf den Exkursionen sind ständig 2 Guides anwesend, die auch für die Sicherheit der Gäste verantwortlich sind. Die Exkursionen werden täglich abends geplant, wobei die Wünsche jedes einzelnen Gastes nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Es gibt bei den Exkursionen verschiedene Schwierigkeitsgrade, leider entscheide ich mich regelmäßig für das niedrigste Level, ich denke, man kann erraten, weshalb.

Die Organisation der Exkursionen ist also eine organisatorische Meisterleistung der jungen Leute, die ausgesprochen motiviert bei der Sache sind. Die Scouts verstehen etwas von ihrer Sache, und kaum ein Vogel, kaum eine Pflanze, die uns über den Weg läuft, bleibt ohne kundigen Kommentar.

Gestern Nachmittag auf einem Ausflug: Ein Donnergrollen, sich wiederholend. Der Scout bleibt steht, um zu lauschen, Nichts deutet auf ein Gewitter hin. Das Grollen wird stärker, lang andauernd, verwandelt sich in ein fernes Krachen: Ein Gletscher kalbt! Die Eismassen stürzen in die Tiefe. Wir werden noch Gelegenheit haben, diesen Vorgang aus der Nähe zu betrachten, so dass ich später darüber berichten werde. Natürlich werde ich dabei nicht darauf verzichten können, auf den voll hereinbrechenden Klimawechsel einzugehen. Er ist in vollem Gange, die Extreme verlagern sich, geraten aus der Balance. Wo sonst 25 – 30 Grad Tagestemperatur durchaus an der Tagesordnung sind, schneite es gestern zu einer völlig ungewohnten Zeit. Das ist natürlich auch für die Tiere und Pflanzen der Gegend nicht ohne Probleme.

Wir fahren noch zum Grey-Gletscher, dem größten in der Gegend. Auch er zieht sich Jahr für Jahr um etwa 10 Meter zurück. Das Wasser der Seen ist noch pures Trinkwasser. Wir brauchen also keine Wasservorräte mitzunehmen, sondern können im See mit unserer Flasche aus dem Vollen schöpfen. Evian ganz gratis!

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In den Schluchten des Humahuaca

Purmamarca am Fuße des Cerro de los Siete Colores

Schwarz-Weiß-Malerei findet man nur bei den Menschen. Die Natur malt in Farbe!

Es wundert überhaupt nicht, dass die Schlucht von Humahuaca von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Nicht nur die atemberaubende Landschaft, auch die Geschichte des Landes, die bis in die heutige Zeit überlieferte Kultur der Menschen, die dort zuhause sind, machen eine Reise durch dieses Tal zu einem einmaligen, unvergesslichen Erlebnis.

Etwa auf halber Distanz zwischen Jujuy und Humahuaca führt eine Andenstraße gen Westen über das Gebirge nach Chile. Folgt man dieser Straße, gelangt man nach wenigen Kilometern zu jenem Berg, über den der Herrgott seinen Malkasten ausgeworfen zu haben scheint, den „Berg der sieben Farben“. Die Einheimischen nennen ihn Cerro de los Siete Colores.

Am Fuße des Berges liegt das Indiodorf Purmamarca, dessen pastellfarbene Terracotta-Häuser sich harmonisch in das Bild der Landschaft einfügen. Die Indios dort sind arm, und doch hat ihnen der seit wenigen Jahren einströmende Tourismus einen für ihre Verhältnisse gewissen Wohlstand beschert. Etwas anderes zum Broterwerb haben die Bewohner des Ortes nicht, und so findet sich auf dem großen Marktplatz des Dorfes ein ebenso großer Markt für die Touristen, die entweder auf der Durchfahrt nach und von Chile sind oder auf dem Weg von Salta nach Bolivien extra einen Abstecher zum „Farbenberg“ gemacht haben.

Blick auf Cerro de los Siete Colores

Purmamarca liegt friedlich, noch schläfrig in der Morgensonne, als wir eintreffen und zunächst eine kleine Rundfahrt durch die Stadt machen, um uns einen Eindruck zu verschaffen. Eine große Rundfahrt ist ohnehin nicht möglich, denn es stehen dafür nur einige wenige, quadratisch angelegte, Straßenreihen zur Verfügung. Rund um den Marktplatz mustern uns die Indios vor ihren bunten Marktständen neugierig-gelangweilt, warten darauf, dass wir aussteigen, uns über ihre Schätze hermachen.

Cerro de los Siete Colores

Doch zuerst interessiert der Berg. Es gibt einen kleinen Pfad, der ein Stück weit um den Berg herum führt. Es ist notwendig, das Farbenspiel von vielen verschiedenen Plätzen aus zu betrachten, will man die ständig wechselnde Farbenpracht voll auskosten. Leider haben Touristen nie Zeit, es geht ihnen da wie den enkelkinderhütenmüssenden Rentnern zuhause. Und so entartet das beschauliche Betrachten eines Wunders der Natur nur allzu leicht zu einem hektischen Gerenne, um „die besten und schönsten“ Bilder zu schießen. Aber der Bummel durch den Markt muss sein, die Ruhe der Marktständler wirkt ansteckend, und so finden wir ein wenig die notwendige Muße, um wenigstens ein kleines Bisschen in Kultur und Geschichte der Indios einzutauchen. Auf dem Markt ist vom Lamapullover über Ponchos zu handgefertigten Souvenirs alles zu haben, was den Besuchern locker die Geldbörse zücken lässt.

Auf dem Marktplatz von Purmamarca

Unsere Frauen kümmern sich um das Textile, Wollige, Haarige und Schmucke, mit anderen Worten um alles das, was Frau so zum Anziehen braucht, vom Wadenschoner bis zum Kopftuch. Unser Haus- und Hoffotograph hält dies alles im Bilde für die Nachwelt fest; das Entzückende an seiner Arbeit ist Mal ums Mal, dass er Dinge sieht und bannt, die einem selbst entgangen sind. Da ich mich für Historisches interessiere, erstand ich von einem der Indios ein Schachspiel und ein Paar Wollhandschuhe, dessen Preise mangels Sprachkenntnisse mit den „sprechenden Fingern“ ausgehandelt wurden.

Das Schachspiel hat seinen besonderen Reiz, weil hier nicht Schwarz gegen Weiß spielt, sondern poppigbunte Indios gegen armierte Spanier – die Wurzeln und die Wunden führen schnurgerade in den fünfhundertjährigen Konflikt mit den Eroberern hinein! Ja, und die Handschuhe ohne Fingerkuppen waren zwingend geworden, nachdem ich vor wenigen Tagen noch, auf Pinguinjagd mit der Kamera, in der Antarktis herumgekrebst war und manches Mal beim Bedienen die Fingerkuppen hätte gut gebrauchen können. Zwar waren die Handschuhe in der Hitze der Humahuaca-Schlucht fehl am Platze, aber zuhause in Deutschland würde es wohl wieder kalt werden beim Filmen – und ich sollte Recht behalten mit meiner Prophetie; als hätten wir die Kälte in den Koffern mit nach Luxemburg importiert.

Affenbrotbaum im Kirchgarten von Purmamarca

Im Vorgarten der schön anzusehenden, historischen Dorfkirche steht ein schattenspendender Affenbrotbaum, der gut und gerne seine 1000 Jahre auf dem Buckel hat, und so steht er denn auch auf zahlreichen Krücken. Ein Zeitzeuge also, direkt am Fuße des Berges. In seinem Schatten wurde so mancher Becher Chica als Friedenstrunk geleert, so mancher Soldat legte zwischen den Schlachten sein blutiges Haupt dorthin.

Iglesia de Santa Rosa de Lima, Purmamarca

Die Kirche selbst nennt sich Iglesia de Santa Rosa de Lima. Sie ist ein Zeugnis für den klassischen Baustil der Quebrada, eine weiß-getünchte Adobe-Kirche aus dem Jahre 1648 und seit 1941 Nationaldenkmal.

Eingang zum Kirchhof mit Blick auf Cerro de los Siete Colores

Wieder schweift der Blick hinauf zum Berg. Du kannst dich nicht satt sehen an seiner Farbenpracht. Doch es ist Zeit, Abschied zu nehmen, die Fahrt durch die Schlucht muss weitergehen, wenn wir das Tagespensum unseres Reiseführers erfüllen wollen. Natürlich werden wir ihm diese Freude machen, denn schließlich will man ja auch nichts verpassen auf der Reise durch dieses schöne, weite, aufregende Land.

Madonna von Purmamarca

Und über allem thront das Gnadenbild, das allgegenwärtige religiöse Symbol der Menschen in dieser Region. Die Aufnahmen stammen vom 05. Dezember 2009.

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Der Wächter

Guanako - aufmerksamer Wächter auf seinem Posten

Die Weiten der patagonischen Pampa sind die Heimat der Guanakos, eine wildlebende Lamaart aus der Familie der Kamele. Sie leben meist in Familienverbänden von etwa 15 Tieren zusammen. Sie sind Pflanzenfresser und ernähren sich von den Gräsern der Landschaft, in der sie leben.

Der Feind der Guanako ist hauptsächlich der Puma, aber auch Kondore können den noch kleinen Jungtieren gefährlich werden - und nicht zuletzt der Mensch dort, wo sie zu Futterkonkurrenten der teils riesigen Schafherden werden, die in Patagonien eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielen.

Wenn man während der Fahrt durch die Pampa immer wieder Gruppen von Guanakos begegnet, werden sie sich ausnahmslos in etwas hügeligem Gelände bewegen. Immer aber findet man ein Tier auf der Kuppe des Hügels an jenem Ort, wo man die Gegend am besten einsehen kann.

Dieses Tier ist der sogenannte Wächter der Gruppe, abkommandiert als Wachtposten, deren einzige Aufgabe es ist, die übrigen Mitglieder der Gruppe rechtzeitig vor drohenden Gefahren zu warnen.

Auf der heutigen Aufnahme sieht man sehr deutlich, wie aufmerksam der Wächter seine Umgebung beobachtet - schließlich hängen Wohl und Wehe der ganzen Gruppe von seiner Aufmerksamkeit ab.

Das Foto entstand am 13. November 2009 im Nationalpark Torres del Paine, Chile.

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Vor die Linse gelaufen

Rotfuchs auf Feuerland

Dieser Rotfuchs ist wahrlich kein scheuer Geselle. Ganz ungeniert kreuzt er unvermittelt unsere Wege, natürlich eine willkommene Gelegenheit, ihn mit der Kamera zu 'erlegen'.

Dieses schöne Exemplar ist heute im Nationalpark Feuerland in der Bahia Lapataia an der Grenze von Argentinien zu Chile heimisch, stammt aber nicht von hier. Es gibt hier eigentlich sehr wenige einheimische Säugetierarten. So wurden zum Beispiel die Biber und eben auch die Füchse eingeschleppt. Sie fanden dort ideale Lebensbedingungen ohne natürliche Fressfeinde vor und konnten sich unkontrolliert vermehren. Dies führte zu erheblichen Umweltschäden, vor allem durch die Biber. Inzwischen werden Fuchs und Biber von den Naturschützern streng unter Kontrolle gehalten.

Der Nationalpark schützt ein bergiges, bewaldetes und von Mooren durchzogenes Küstengebiet, zieht sich aber nach Norden bis zum Lago Fagnano hin. Der Südteil, wo unser Fuchs beheimatet ist, ist der bei weitem am meisten besuchte und ist vom nur 12 km entfernten Ushuaia aus über die Nationalstraße 3 zu erreichen.

Die Aufnahme stammt vom 21.11.2009, zu der Zeit ist auf Feuerland spätes Frühjahr.

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Torres del Paine

Sonnenaufgang in Patagonien

16.11.2009. Es ist Floras Geburtstag. Als sie die Augen aufmacht an diesem Morgen, bietet sich ihr dieser Willkommensgruß der Natur in Chiles Patagonien.

Das Gebirge liegt inmitten des gleichnamigen Nationalparkes Torres del Paine. Paine heißt in der Sprache der Mapuche-Indianer „himmelblau“, Torres del Paine also „Türme des blauen Himmels“.

An diesem Morgen aber schienen diese Türme in Brand geraten. Unser Hotel, direkt am See gelegen und vom Bett aus den Blick auf dieses Panorama - wenn das kein besonderes Geburtstagsgeschenk ist!

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