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Hauptkirche St. Michaelis, Hamburg

Wer die Welt staunend und mit offenem Gemüt betrachtet, dem wird sein Staunen ganz alleine zum Gebet.

Innen wie außen, der Hamburger "Michel", wie er liebevoll genannt wird, ist mehr als nur eine langweilige Touristenattraktion. Er ist auch mehr als nur ein Stück Deutscher Geschichte. Dreimal ist er abgebrannt und dreimal ist er wie Phönix aus der Asche wieder erstanden. Auf seinem Kirchturm wurde durch Johann Friedrich Benzenberg im Jahre 1802 zum ersten Mal die Erdrotation durch Fallexperimente bewiesen, ein halbes Jahrhundert bevor Foucault seine Pendelversuche durchführte. Auf seiner Turmplattform kann man ganz Hamburg übersehen, und so manches Segelschiff hat sich elbaufwärts am Turm entlang navigiert.

Unten in der Krypta ist die Baugeschichte dokumentiert. Die Turmuhr ist die größte ihrer Art in Deutschland. Der Michel hat neben anderen seine "Jahrtausendglocke", und der Michel besitzt sage und schreibe ganze 5 Orgeln, darunter die große Steinmeyer-Orgel mit 6674 Pfeifen.

Die Große Steinmeyer-Orgel, Hauptkirche von St. Michaelis

Was hat der Michel dem Besucher außer diesen Superlativen noch alles zu bieten? Charme, Ruhe, Besinnung, Konzerte. Wer sich mit der Bach'schen Musikerfamilie näher vertraut machen möchte, der findet in der Krypta deren Stammbaum direkt über der Ruhekammer des Carl Philipp Emauel Bach, dem berühmtesten der Bachsöhne und zu seiner Zeit berühmter als sein Vater. Seine musikalische Empfindsamkeit scheint sich auch noch lange nach seinem Tode in der gesamten Atmosphäre der Kathedrale widerzuspiegeln.

St. Michael, der Drachentöter findet sich innerhalb wie außerhalb der Kirche als Motiv, dem Reformator Luther ist an der Eingangsfront eine übermannsgroße Sockelstatue gewidmet.

Ob man denn auch beten kann in diesem Haus Gottes, so will der interessierte Christ wissen. Wer staunend und mit offenem Gemüt durch diese Kathedrale wandert, dem wird sein Staunen ganz von alleine zum Gebet. 

Die Fotos wurden am 23. Juli 2010 aufgenommen.

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Die Große Freiheit

Die Große Freiheit in Hamburg bei Nacht

Die 'Große Freiheit'. Überall wird sie dir versprochen, doch du bist auf der Jagd nach ihr bis zu deinem Lebensende. Dein Blick ist fixiert auf das Ziel, das du nie erreichen kannst, und die Realität gerät dabei in den Hintergrund, fängt an zu verschwimmen. Die Sterne die man dir vom Himmel holen wollte, entpuppen sich als schiere Plastiklampen, und die Klampen spielen dir nur eine schräge Musik: Es kann keine Freiheit geben, ohne die dazu notwendige Bindung!

Eine der bekanntesten Lokalitäten im Milieu ist die Große Freiheit Nr. 36. Dort befindet sich einer der ältesten Clubs in Hamburg. Es spielten schon die Beatles, Robbie Williams, Kylie Minogue und andere bekannte Showgrößen in diesem Club. Wenn Party angesagt ist, führt der Weg unweigerlich dorthin und vor allem an den Wochenenden strömen die Menschen, um bis in die Puppen zu feiern.

Die Große Freiheit liegt an der Reeperbahn. Vom Beatles-Platz aus führt die kleine Seitenstraße hinüber zur St.-Josephs-Kirche und: Ja, es gibt tatsächlich eine Kirche auf der 'sündigsten Meile der Welt', Vielleicht gerade deshalb.

Wie sehr die 'Große Freiheit' mit Sehnsucht und Illusion verwoben ist, zeigen auch der berühmte Film mit Hans Albers "Große Freiheit Nr. 7 oder eine ehemalige Fernsehserie mit dem Titel "Große Freiheit".

Auch wenn Reeperbahn und Große Freiheit in den Köpfen der Leute als 'Sündenpfuhl' spuken, ihre Ursprünge sind doch ganz anderer Art! Als Altona im 17. Jahrhundert noch eine selbständige Stadt war, wurde den Handwerkern, die auf der Großen Freiheit ihr Gewerbe ansiedelten, Religions- und Gewerbefreiheit versprochen. Sie mussten nicht in Zünften organisiert sein und konnten beliebigen Glaubensgemeinschaften angehören. Aus jener Zeit stammt auch die bereits erwähnte Kirche St. Joseph.

Altona gehörte zum Herzogtum Holstein und Holstein zum Deutschen Reich. Trotzdem wurde das Herzogtum vom dänischen Königshaus verwaltet. So war es auch der dänische König Friedrich III., welcher Altona die Glaubensfreiheit gewährte und die Bürger der Stadt ihre Kirche bauen ließ. Sie erhielten dafür einen Bauplatz auf der Großen Freiheit.

Zunächst also bezog sich die Sehnsucht nach Freiheit auf die Freiheit, seinen Glauben leben zu können. Aber dann wurde sich das Königshaus bewusst, dass man sich in Konkurrenz zu Hamburg wirtschaftliche Vorteile sichern könne, wenn man Altona über die Glaubensfreiheit hinaus auch wirtschaftliche Freiheiten gewährte. In Hamburg waren die Handwerker in Zünften organisiert, in Altona mussten sie das nicht und konnten ihre Arbeit ohne diese Bindungen ausüben. Die Rechnung ging auf und die Handwerker kamen in Scharen - Große Freiheit auch für die Arbeit und damit das täglich Brot! Altona gedieh prächtig!

Nun, wer mal den kleinen Finger hat, der strebt auch nach der ganzen Hand. Dass die Große Freiheit heutzutage mit der Freiheit der Lust assoziiert wird, dafür kann nun das dänische Königshaus aber wirklich nichts!

Ich hatte am 26. Juli 2011 mein großes Freiheitserlebnis und von daher stammt auch dieses Foto.

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