Ein Blutwunder und eine wundervolle Kathedrale

Kathedrale von Orvieto

Wunder lassen sich hervorragend in bare Münze verwandeln.

Orvieto ist eine kleine Stadt in Umbrien in der Provinz Terni in Italien. Ihre gesamte Altstadt liegt auf einem Felsplateau aus Tuffgestein, in dem ein Labyrinth von Kellern, Gängen und riesigen Zisternen durchzogen ist. Direkt unterhalb des Stadtfelsens befinden sich zahlreiche etruskische Gräber.

Von Orvieto und seiner reichen Geschichte zu erzählen führt leicht in Versuchung, einen ganzen Roman zu schreiben. Alles an Orvieto ist überwältigend - sei es die Kathedrale im Zentrum der Altstadt, sei es die Altstadt selbst, die umgebende Landschaft, aus der Orvieto wie ein strahlender Diamant herausragt, oder seine Geschichte, die sich zurück bis in das 12. Jahrhundert v. Chr. belegen und berichten ließe.

Besonders eindrucksvoll ist die Kathedrale von Orvieto. Wenn man aus den dunklen mittelalterlichen Gässchen der Altstadt heraustritt auf den freien Platz vor der Kirche, steht man staunend vor einem Kunstwerk, das viele Jahrhunderte überdauert hat und seinerseits auf den Fundamenten eines etruskischen Tempels ruht.

In der nicht weit entfernten Stadt Bolsena geschah eines Tages im Jahre 1263 ein Wunder. Aus einer Hostie tropfte plötzlich während der Wandlung Blut. Man brauchte einen Platz für die Relikte des Blutwunders, und so baute man dieses Kunstwerk an Kathedrale. In einer Seitenkapelle der Kathedrale sind noch heute das blutbespritzte Messtuch sowie Partikel der heiligen Hostie als Reliquien aufbewahrt.

Manchmal braucht es eben ein Wunder, wenn man ein neues Kirchlein bauen will! Denn das kostet Geld und solches muss man dem Volke verklickern. Die Orvietaner und vor allem der Klerus hatten nämlich mit Sicherheit schon vorher den Entschluss gefasst, eine neue Kathedrale zu bauen. Sie waren bereits seit geraumer Zeit gezwungen, in anderen Kirchen der Stadt die Messe zu halten, weil die alte Kirche Santa Maria immer unzugänglicher geworden war

Die basilikale romanische Form der dreischiffigen Kirche wandelte sich mit der Zeit ins Gotische, mit den typischen Kreuzgewölben der Apsis. Dann wurde, nunmehr in rein gotischem Stil, das Querschiff mit der quadratischen Apsis verwirklicht. In deren Mitte öffnet sich das große Vierbogenfenster. Die erhobene Fassade, die wie ein riesiger kostbarer Reliquienschrein wirkt, entstand um das Jahr 1310.

Im Sockelbereich der Fassade befinden sich Wandreliefs, die gegen Berührung durch Glas geschützt wurden. Ein unbekannter Künstler hat sie ab 1310/20 auf einer Fläche von 112 m² angebracht. Ihr Thema ist die Entstehungsgeschichte des Menschen, das Geheimnis der Erlösung und seine Endbestimmung.

Die berühmte Capella Nuova enthält einen großen Freskenzyklus von Luca Signorelli mit dem Thema der Geschichte des Antichristen - Das Ende der Welt. Diese Fresken sind in der Geschichte der italienischen Malerei von herausragender Bedeutung.

Das Foto wurde am 17. September 2010 aufgenommen.

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Der König badet und der Bischof verduftet

Civita di Bagnoregio, Latium, Italien

Dem Volke lässt es sich leicht aufs Maul schauen. Doch schaut man den Oberen unter die Kutte, guckt auch nur ein armes Menschlein hervor.

Irgend ein König der Westgoten wird es wohl gewesen sein, der, hoch über der Schlucht und abgeschottet von seinen Feinden es wagte, auf diesem Tuffsteinfelsen in Ruhe sein Bad zu nehmen. Diesem Ereignis verdankt die kleine Stadt auf dem Felsen ihren Namen, denn sie hieß ursprünglich Balneum Regium - Bad des Königs. Und wo Könige baden, da kann man auch heilsame Quellen vermuten.

Dies tat man auch in Papstkreisen, denn nicht allzu lange danach, im 6. Jahrhundert kam Papst Gregor der Große ins Spiel und man gründete auf dem Felsen einen Bischofssitz. Durch das ganze Mittelalter hindurch erlebte Bagnioregio eine wechselvolle Geschichte - kein Wunder, denn solche schwer einnehmbare natürliche Anlagen waren überall heiß begehrte Objekte, nicht nur in Italien.

Doch der Feind des Klerus kam von innen, nicht von außen. Er kam direkt aus dem Inneren der Erde. Als im Jahre 1695 Bagnoregio von einem heftigen Erdbeben durchgerüttelt wurde, verlegte der Bischof seinen 'Firmensitz' eilig herunter von dem Tuffsteinfelsen und hinab in die Ebene.

Das heutige Bagnoregio war, wenngleich es zu den schönsten Städten Italiens zählt, eine sterbende Stadt geworden. Die Stadt auf dem Berg war nach und nach aufgegeben worden, da die schwer zugängliche und ständig durch Erdrutsche gefährdete Stadt zunehmend erodierte. In der Zeit um 1990 gab es in der 'sterbenden Stadt' nur noch zwischen sieben und fünfzehn verbliebene ältere Einwohner. Inzwischen haben einige findige Künstler die Stadt ein wenig neu belebt, sie aufgemotzt und zu ihrer Enklave gemacht. Auch der internationale Tourismus hat die Stadt mittlerweile für sich entdeckt und vor allem Amerikaner geben sich gerne ein Stelldichein in diesem reizenden halbtot-halblebendigen romantischen Städtchen.

Es gibt keine Autos in der Stadt! Lediglich eine Fußgängerbrücke führt hinüber nach Bagnoregio und für die Fauleren unter den Touristen hat man inzwischen einen Bus-Pendelverkehr eingerichtet. Doch die Stadt selbst will zu Fuß er-fahren werden. Da gibt es dann eine Menge gepflasterte kleine Gässchen, einen Brunnen an der Piazza San Donato und die gleichnamige Kirche; sie war eintausend Jahre lang Kathedrale und Bischofssitz. Ausstellungen römischer und etruskischer Funde sind zu sehen, an vielen alten Häusern mit schlechter Bausubstanz, fast so brüchig wie der Fels, auf dem sie stehen, kommt man vorbei. Wer den Blick an den Resten der alten Stadtmauer entlang und hinab ins Tal gleiten lässt, der genießt einen Ausblick von unbeschreiblicher Schönheit auf die Landschaft Latiums.

Wenn man dann Bagnoregio durch das alte Stadttor, weit über dem Abgrund stehend, wieder durchschritten hat, hat man das Gefühl, eine unwirkliche, übernatürliche Welt hinter sich zu lassen und wieder in das wirkliche Leben hinaus zu treten.

Die Aufnahme stammt vom 20. September 2010.

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