O libertas cara

New York, Freiheitsstatue

Eine Statue mag den Traum von Freiheit symbolisieren, doch um wahre Freiheit zu erlangen, bedarf es der besten Seelenkräfte der Menschheit. 

In der Einfahrt zum New Yorker Hafen steht die Freiheitsstatue, deren erhobene Fackel Freiheit und Gerechtigkeit für alle verspricht. Sie gilt als würdige und bewegende Erinnerung an die Ideale, auf denen die Nation der Vereinigten Staaten von Amerika gegründet wurde.

Die Idee, die Freundschaft zwischen Frankreich und den USA (die bis in die Zeit der amerikanischen Revolution zurückreicht), mit einem Denkmal zu feiern, entstand 1865 auf einem von Éduard-René de Laboulaye veranstalteten Fest. Sechs Jahre später berief ein Komitee unter der Leitung Laboulayes den elsässischen Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi. Der reiste daraufhin in die USA, um sich mit dem Projekt näher zu beschäftigen.

Bartholdi hatte 1869 an der Eröffnungsfeier des Suezkanals teilgenommen, da er hoffte, den Auftrag für einen Leuchtturm zu bekommen, der am Eingang des neuen Kanals stehen sollte - vergebens. Er wendete nun seine Energie einem ähnlichen Projekt in den USA zu. Als er in New York ankam, fühlte er sich von der Erhabenheit des Anblicks und der Bedeutung dieses Ortes als dem wichtigsten "Tor zur neuen Welt" überwältigt und inspiriert. In dem Augenblick wusste er, dass das Denkmal eine Freiheitsstatue sein würde und dass eine der kleinen Hafeninseln vor dieser atemberaubenden Kulisse der beste Standort für sie wäre. Eine französisch-amerikanische Vereinigung wurde gebildet, die mit Laboulaye als Präsident Gelder beschaffen und alle Belange des Baus der Statue koordinieren sollte. Das Projekt wurde gemeinsam betrieben - die Franzosen kamen für die Statue auf, die Amerikaner für das Podest.

Bartholdi begann 1874 in Frankreich mit der Arbeit an der Statue. Zuerst fertigte er eine 1,2 m hohe Tonfigur und dann nacheinander drei jeweils größere Modelle aus Gips an, die verbessert und verfeinert wurden, bis schließlich die endgültige Größe erreicht war. Um als nächstes den Innenrahmen zu schaffen, der die Statue stützen sollte, wandte Bartholdi sich an den erfindungsreichen französischen Ingenieur Gustave Eiffel, der später den Eiffelturm bauen sollte. Indem er Konstruktionstechniken nutzte, wie sie auch für die Wolkenkratzer der 1880er Jahre verwendet wurden, erfand Eifel ein kompliziertes Gerüst aus Eisen und stahl, auf das 300 Kupferplatten (je 2 mm dick) festgemacht wurden, die die Außenwand der Statue darstellten.

Während der Arbeit an der Statue verdoppelten sich die Baukosten. Um ihr Ziel zu erreichen, brachten die Franzosen eine große Spendenaktion in Gang, und 1884 war die Statue fertiggestellt. Bei der Jubiläumsfeier am 4. Juli 1884 wurde die Statue dem US-Botschafter als Geschenk der Bürger Frankreichs überreicht. Nach den Feierlichkeiten wurde sie auseinandergenommen und in 220 Lattenkisten verpackt, um die Reise über den Atlantik in ihre zukünftige Heimat anzutreten. Die Gelder für den Sockel hingegen waren in Amerika noch nicht zusammengekommen. Der Arm mit der Fackel wurde zwar zur Freude vieler Besucher , die sich auf ihrem Balkon fotografieren ließen, 1876 bei der 100-Jahr-Ausstellung in Philadelphia ausgestellt, doch öffneten sich die Geldbörsen nur langsam. Um die Kampagne für den Sockelaufbau zu unterstützen, wurden Benefizbälle, Theater- und Sportereignisse und sogar ein Gedichtwettbewerb veranstaltet.

Der Arm mit der Fackel wurde 1884, wieder aus Benefizgründen, im Madison Square ausgestellt. Als 1885 immer noch nicht genug Geld vorhanden war und nun der Rest der Statue nach Amerika geschickt werden sollte, veröffentlichte das Komitee einen patriotischen Aufruf: "Wenn das Geld jetzt nicht fließt, muss die Statue zur Schande der Amerikaner nach Frankreich zurückkehren." Daraufhin gab es zahlreiche Spenden. Dank einer Aktion von Joseph Pulitzer, dem Herausgeber der New York World, war der Erfolg des Projektes gesichert. In seinen Leitartikeln kritisierte er die Reichen, die nicht einmal "die paar Pfennige" geben wollten, und forderte alle Amerikaner auf, es den spendenfreudigen Franzosen gleichzutun. Dazu versprach er, in seiner Zeitung den Namen jedes Spenders abzudrucken, ungeachtet der Höhe seines Beitrages. So bekam die Aktion neuen Schwung, und täglich gingen neue Geldbeträge ein.

Im Mai 1885 verließ das französische Schiff Isère mit seiner kostbaren Fracht den Hafen Rouens und landete ungefähr einen Monat später in New York. Bartholdi reiste wieder nach New York, um mit den dortigen Ingenieuren und mit Richard Morris Hunt, dem Architekten, der den Sockel entwarf, zu sprechen. Hunt war einer der führenden Architekten der Zeit, und sein Sockel war so entworfen, dass er in Charakter und Dimensionen perfekt zur Statue passte. Die Einweihung wurde am 28. Oktober 1886 begangen, ein offizieller Feiertag in ganz New York. Der Präsident Grover Cleveland fuhr zur Enthüllung der Statue mit dem Boot und einer Eskorte vonn 300 Schiffen zur Bedloe's Island (seit 1956 Liberty Island genannt). In- und ausländische Würdenträger hörten zuerst am Fuß des Sockels zahlreiche Reden, und als die Statue enthüllt wurde, ertönten Nebelhörner und ein Salut aus 21 Kanonenschüssen. Im selben Augenblick gingen die Lichter in der Krone der Freiheitsstatue an, ein symbolischer Hoffnungsstrahl, den der Anblick bald für Millionen von Menschen darstellen sollte, die in die neue Welt kommen würden.

Da die Statue im Laufe der Jahre mehr und mehr verfiel, wurde 1981 in Frankreich beschlossen, Liberty wieder in ihrem früheren Glanz erscheinen zu lassen. Drei Jahre lang wurde sie ausführlich untersucht, und es wurden Experimente gemacht, um ihre Standfestigkeit zu überprüfen. Dann wurde, mit der finanziellen Unterstützung Liberty-Ellis Island Foundation. Inc., unter der Leitung des emeritierten Vorsitzenden der Chrysler Corp. Lee Iacocca, mit der aufwändigen Restaurierung begonnen. In den fünf Jahren der mehrere Millionen Dollar teuren Arbeiten wurden die kupferne Haut der Statue gründlich gereinigt und einige irreparable tEile, darunter die Fackel, die Flamme und die 1700 Eisenstangen des Rahmens, ersetzt. Zusätzlich wurden neue Fahrstühle und Treppen installiert und ein Museum gebaut, das die Geschichte der Statue dokumentiert. Drei Millionen Besucher kommen jedes Jahr zu diesem Nationaldenkmal, das vom National Park Service verwaltet wird.

Nach dem 125. Jubiläum am 28. Oktober 2011 wurde die Statue erneut für etwa ein Jahr geschlossen, um im Inneren ein neues Treppensystem einzubauen, mit dem moderne Sicherheitsanforderungen erfüllt werden und künftig mehr Personen gleichzeitig die Statue besuchen können. Das Innere der Statue wird erst gegen Ende 2012 wieder zugänglich sein. Das heutige Bild des Tages wurde am 28. März 2007 aufgenommen.

B0065

Ushuaia und das Museum am Ende der Welt

Ushuaia, Obelisk am Kanal

Vermessen ist's, den anderen mit eig'nem Maß zu messen. Und manchmal tödlich!

Weit unten, auf Feuerland in Südamerika, liegt Ushuaia, das lange Zeit als die südlichste Stadt der Erde galt. Inzwischen beansprucht aber die noch weiter südlich gelegene chilenische Ansiedlung Puerto Williams diesen Titel.

Ushuaia ist die Hauptstadt der argentinischen Provinz Feuerland, einem rauen, fast unwirtlichen Landstrich, durchzogen von Inseln und Inselchen und den Unbilden des Wetters scheinbar schutzlos ausgeliefert. Über 3.500 km von Buenos Aires entfernt, liegt der Ort direkt am Ufer des Beagle-Kanals.

Die ersten Bewohner der Inselgruppe waren Yamana-Indianer. Sie lebten als Wasser-Nomaden und befuhren mit kleinen Rindenkanus das Meer, ernteten Meeresfrüchte und fingen Robben, Seelöwen und Fische. In ihren Kanus brannte stets ein kleines wärmendes Feuer. Dafür hatten sie kleine Töpfe, die sie auf ihre Reisen mitnahmen. Diese Töpfe waren mit Tran gefüllt, den sie entzündeten. So konnten sie, wenn es nötig war, auch überall, wo sie an Land gingen, Feuer machen.

Diese kleinen Leuchtpunkte und die Feuerstellen der Hütten am Ufer waren der Grund für den Namen „Feuerland“, mit dem das Gebiet von den spanischen Eroberern bezeichnet wurde. Tatsächlich aber sahen die spanischen Eroberer kein Feuer an den Küsten, sondern überall Rauch aufsteigen, wie von vielen kleinen Kaminen. Diese Beobachtungen berichteten sie nach Hause und erst dort, von Leuten, die niemals in Feuerland waren, wurde der Name „Feuer“-Land geprägt, nach dem Motto „Wo Rauch ist, da muss auch Feuer sein“!

Nationalpark Feuerland

Als die ersten Weißen im Gebiet der Yamana auftauchten, bekamen die Indianer ein ernsthaftes Problem, welches schließlich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu ihrem Aussterben führte. Robbenfänger, Schafzüchter, Walfänger und wer immer sich da unten tummelte, sie alle machten gnadenlos Jagd auf die Indianer. Es spielte sich das gleiche schreckliche Schauspiel ab wie überall andernorts auf der Erde, wo Besatzer auf Ureinwohner trafen. Geradezu als müssten sie zwanghaft ein Verhaltensmuster befolgen, knallten sie diese Menschen einfach ab oder töteten sie auf andere Weise. Dabei kann Angst vor den Fremden wohl kaum ein Grund gewesen sein, denn diese waren friedliebend und harmlos. Da wären wohl schon eher Gier, Machtbesessenheit und Mordlust als Antriebskräfte zu nennen!

Das endgültige Aussterben der einheimischen Menschen wurde aber paradoxerweise durch Missionare und Eiferer bewirkt, die in eigentlich wohlgemeinter, aber törichter Absicht versuchten, den Indianern zu helfen. Die Missionare gaben ihnen in Puerto Eden (welch zynischer Name für diese Tragik!) Zuflucht, steckten sie in Wellblechhäuser, gaben ihnen zu essen und versorgten sie mit Kleidung. Sie taten alles, was nach ihrer Vorstellung gut und richtig war.

Aber die Indianer mussten das Essen der Weißen essen, nicht mehr das, was ihre Körper wirklich benötigten, und Mangelerscheinungen, Krankheiten waren die Folge dieser erzwungenen Nahrungsumstellung.

Yamana-Boot

Die Kleidung, die sie erhielten, waren die damals bei den Europäern üblichen Baumwollkleider. Nun stelle man sich vor, mit dieser Kleidung in Kajaks auf Jagd zu gehen. Die Kleidung, durchnässt, gefriert und gibt diese Menschen schutzlos der Witterung preis, wo sie sich doch ursprünglich umstandsgerecht mit den Fellen der erlegten Robben kleiden und mit ihrem Fleisch und Tran ernähren konnten! Solche Strapazen konnten auch die robustesten Menschen nicht auf Dauer schadlos ertragen. Man kann sagen: Wer das Massaker der Siedler und Jäger überlebte, wurde von den Missionaren im „Garten Eden“ in bester Absicht zu Tode gepflegt. So hart muss man das auch sagen, um deutlich zu machen, welche tragischen Leidens- und Sterbeprozesse sich für die Yamana abgespielt haben.

Raues Klima bedingt einen rauen Menschenschlag, für sensible Gemüterchen bleibt da kein Raum. Auch hier, buchstäblich an das Ende der Welt, in dieses unwirtliche Klima hinein, verschleppte man die Außenseiter der Gesellschaft, ihre Verbrecher und Strafgefangenen. Man gründete an der Stelle der heutigen Stadt Ushuaia eine Strafkolonie, baute ein Zuchthaus und lud dort alle Verbrecher ab, derer man sich entledigen wollte. Inzwischen ist dieses Zuchthaus seit einem Jahrhundert bereits geschlossen und man kann in ihren Mauern in einem dort eingerichteten Museum die Geschichte des Gefängnisses und die Lebensbedingungen jener Zeit nachvollziehen.

In der Stadt selbst gibt es noch ein weiteres, nach meinem Empfinden weit interessanteres Museum, das „Museo del Fin del Mundo“, Museum am Ende der Welt. Allem, was an historischen Ereignissen erwähnenswert ist, kann man dort auf die Spur kommen, indianische Relikte sehen, Berichte über Schiffe, die im Beagle-Kanal gestrandet waren, Präparate einheimischer Tiere und dergleichen. Selbst die Originalbestuhlung der ehemaligen Provinzregierung Feuerlands befindet sich dort noch wohl erhalten im Originalzustand.

Ushuaia, Museo del Fin del Mundo

Das Museum ist inzwischen in zwei verschiedenen Gebäuden untergebracht. Beide liegen direkt am Hafen von Ushuaia, von wo aus die Forschungsexpeditionen in die Antarktis starten. Man kann also, wie ich es getan habe, zuerst einen letzten Besuch im Museum machen und sich unmittelbar danach auf die Reise begeben, eine Reise in das „große Abenteuer Antarktis“, über das ich an anderer Stelle berichte. Von Ushuaias Hafen aus hat man einen wunderbaren Panoramablick auf die umgebenden Bergketten der chilenischen und argentinischen Ausläufer der Anden.

Überhaupt ist die Gegend um Ushuaia von einer außergewöhnlichen Schönheit. Nur einen Katzensprung von Ushuaia entfernt befindet sich der „Nationalpark Feuerland“. Hier ist es, wo Natur ihren Namen verdient, der Mensch noch atemlos eintauchen kann in das Unberührte, in das sich selbst überlassene Schöpfungsgeschehen, in dem alle Erscheinungen wie in einem gigantischen Uhrwerk harmonisch ineinander greifen und jedes noch so unscheinbare Wesen seinen Platz im großen Ganzen eingenommen hat. Hier ist es aber auch, wo man das unheilvolle Eingreifen der europäischen Menschen und seine schädlichen Erfolgen sehr drastisch erleben kann. Man hatte Kaninchen mit in die Gegend gebracht, das hat dem Fuchsbestand zwar gut getan, aber den Pflanzen der Region in hohem Maße geschadet. Man hat den Biber ins Land gebracht, in ein Land, wo er nicht hin gehörte. Dieser hat dann folgerichtig durch seine Dammbauten die Flora und Fauna der Gegend nachhaltig durcheinander gebracht, teilweise unwiederbringlich zerstört.

Biberschäden im Nationalpark

Die Tierwelt hier in dieser Gegend ist außerordentlich vielfältig. Alle Tiere sind ungewöhnlich zutraulich. Man muss die exotischen Geschöpfe nicht einmal suchen, sie finden einem, laufen einem über den Weg oder fliegen behände direkt vor die Linse: Seelöwen, Seehunde, Kormorane, Seeschwalben, Pinguine und was sonst das Herz begehrt.

Das Museum am Ende der Welt ist der Anfang einer neuen Sicht auf die Welt! Wie sahen und fotografierten dort am 21. November 2009.

BT0064

Naturwunder Patagonien

Patagonien ist eine Gratwanderung zwischen Zivilisation und unberührter Natur.

Sonntag, 15.11.2009. Es ist Nacht, genauer gesagt 3.00 Uhr am Morgen. Es dürfte bald Neumond sein und dem entsprechend hat sich die Dunkelheit über den See und das Gebirgsmassiv gelegt. Nur schemenhaft kann man die Silhouetten erkennen. Umso heller strahlen die Sterne am Nachthimmel, wieder einmal eine Gelegenheit zu überprüfen, was an früher Gelerntem noch vorhanden ist – Großer Wagen und all die anderen Sternzeichen wieder zu erinnern, die Millionen von seefahrenden Menschen den Weg in die fernen Gestade gezeigt haben. Was um alles in der Welt mag Menschen bewogen haben, sich in so einsame Gegenden wie diese hier verschlagen zu lassen? Die selbst für einen Schreiber wie mich fast unbeschreibliche Schönheit der Landschaft, die sich in wenigen Stunden wieder von Neuem entfaltet, um sich bewundern zu lassen – sie war sicher auch eines der Motive, hier zu landen, und manchmal auch zu stranden.

Die Torres del Paine sind ein kleiner Gebirgszug abseits der eigentlichen Anden und unabhängig von diesen entstanden, „nur“ 12 Millionen Jahre alt. Sie verdankt ihre Entstehung einer Magmablase, das sich unter der der Erdoberfläche gebildet hatte. Das Magma war damals nicht wie üblich nach oben durchgedrungen, sondern unter der Oberfläche erkaltet. Durch den Druck der tektonischen Platten aufeinander wurde das magmatische Gestein nach oben gedrückt und bildete so ein eigenständiges Gebirgsmassiv. Die Gesteinsformationen sind dementsprechend von den übrigen Anden recht deutlich zu unterscheiden.

Eine Reise wie die gegenwärtige in Gebiete wie das Hiesige ist immer auch eine Reise in die Vergangenheit, nicht nur der eigenen, sondern auch der gesamten Erdgeschichte, ja sogar der Geschichte des Universums. Dies eben wird mir bei der Betrachtung des grandiosen Sternenhimmels wieder einmal recht eindrucksvoll vor Augen geführt. 5,7 Milliarden Jahre geschichtlicher Entwicklung des Universums, was sind da schon da schon die 12 Millionen Jahre des „Babies“ Torres del Paine, das ja eigentlich erst noch von den Ereignissen des Erwachsenwerdens geschliffen werden muss! Solche Vorgänge spielen sich in anderen Ligen ab als unsere kleinen menschlichen Nöte.

Die Versorgung im Hotel ist vom Feinsten, für meinen Geschmack etwas zu fein. Zweimal am Tag werden die Zimmer gerichtet, das Sandmännchen sorgt natürlich für die obligatorische Gute-Nacht-Schokolade auf dem Kopfkissen. Der Koch, ein Italo-Franzose, zaubert zweimal am Tag ein Dreigänge-Menü auf die Tafel, auch das Frühstück lässt keine Wünsche offen. Ein Heer von Bediensteten ist allgegenwärtig, versucht, dir deine Wünsche von den Augen abzulesen.

Wir sind hier in einem der schönsten Nationalparks von Chile, die Chilenen sagen natürlich, von der ganzen Welt. Privater Autoverkehr ist nicht möglich, weshalb wir auch nicht, wie sonst bei unseren Reisen üblich, einen Privatwagen zur Verfügung haben. Aber der Shuttle-Service des Hotels ist ausnehmend gut organisiert, um die Mobilität der Gäste so gut es geht sicherzustellen. Nicht nur ein Heer von Fahrern, auch an die knapp 30 Guides, junge Leute, die entsprechend ausgebildet sind, sorgen für jede denkbare Information über die Gegend, über Land und Leute, über Flora und Fauna. Auf den Exkursionen sind ständig 2 Guides anwesend, die auch für die Sicherheit der Gäste verantwortlich sind. Die Exkursionen werden täglich abends geplant, wobei die Wünsche jedes einzelnen Gastes nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Es gibt bei den Exkursionen verschiedene Schwierigkeitsgrade, leider entscheide ich mich regelmäßig für das niedrigste Level, ich denke, man kann erraten, weshalb.

Die Organisation der Exkursionen ist also eine organisatorische Meisterleistung der jungen Leute, die ausgesprochen motiviert bei der Sache sind. Die Scouts verstehen etwas von ihrer Sache, und kaum ein Vogel, kaum eine Pflanze, die uns über den Weg läuft, bleibt ohne kundigen Kommentar.

Gestern Nachmittag auf einem Ausflug: Ein Donnergrollen, sich wiederholend. Der Scout bleibt steht, um zu lauschen, Nichts deutet auf ein Gewitter hin. Das Grollen wird stärker, lang andauernd, verwandelt sich in ein fernes Krachen: Ein Gletscher kalbt! Die Eismassen stürzen in die Tiefe. Wir werden noch Gelegenheit haben, diesen Vorgang aus der Nähe zu betrachten, so dass ich später darüber berichten werde. Natürlich werde ich dabei nicht darauf verzichten können, auf den voll hereinbrechenden Klimawechsel einzugehen. Er ist in vollem Gange, die Extreme verlagern sich, geraten aus der Balance. Wo sonst 25 – 30 Grad Tagestemperatur durchaus an der Tagesordnung sind, schneite es gestern zu einer völlig ungewohnten Zeit. Das ist natürlich auch für die Tiere und Pflanzen der Gegend nicht ohne Probleme.

Wir fahren noch zum Grey-Gletscher, dem größten in der Gegend. Auch er zieht sich Jahr für Jahr um etwa 10 Meter zurück. Das Wasser der Seen ist noch pures Trinkwasser. Wir brauchen also keine Wasservorräte mitzunehmen, sondern können im See mit unserer Flasche aus dem Vollen schöpfen. Evian ganz gratis!

BT0063

Verhängnisvoller Crash

„Fahrt vorsichtig! Vielleicht bin ich es, dem ihr damit eines Tages das Leben rettet.“

Zwischen Los Angeles und San Francisco führt eine Strecke bei Cholame auch an der Kreuzung der California State Route 41 mit der California State Route 46 vorbei. Cholame ist ein Ort im San Luis Obispo County im US-Bundesstaat Kalifornien, nordwestlich von Bakersfield. Nahe Cholame an jener Kreuzung starb am 30. September 1955 der amerikanische Schauspieler James Dean, als er auf dem Weg zu einem Autorennen nach Salinas war.

Kurz bevor man diese Kreuzung passiert, kommt man am Jack Ranch Café vorbei, einer kleinen Tankstelle mit reichlich Snacks und Naschereien für Durchreisende. Vor allem gibt es hier die köstlichsten Pistazien, die ich je gegessen habe. Und es gibt jede Menge Souvenirs und Erinnerungen an den Schauspieler James Dean. Das heutige Titelfoto zeigt neben der Tankstelle ein überdimensioniertes Konterfei von dem Schauspieler, eventuell inzwischen ersetzt durch eine steinerne Gedenkstätte; im Hintergrund Tankstelle und Café. Auf der Rückseite der Holzfront wird dezent darauf verwiesen, dass James Dean hier zum letzten Mal Rast gemacht hatte, bevor er wenige Kilometer weiter verstorben war.

Zwei Wochen vor seinem Tod gab es ein bemerkenswertes Interview, in dem der Schauspieler (der auch Autorennen fuhr) beim Drehen eines Werbespots über das Thema "Raserei" befragt wurde. Dabei ging er auch auf Leute ein, die auf dem Highway rasen. Seine Antwort ist so überliefert: 

„Früher bin ich auch ganz schön gerast und habe unnötig viel riskiert. Aber seit ich Rennen fahre, bin ich auf der Straße besonders vorsichtig geworden. Die Leute haben ja oft gar keine Ahnung, was für einen gefährlichen Mist sie bauen. Man weiß nie, was so ein Typ auf der Straße als nächstes tut. Auf dem Rennplatz gibt es viele Leute, die über neue Regeln und Sicherheitsmaßnahmen nachdenken. Ich bin in letzter Zeit sehr vorsichtig im Straßenverkehr. Ich habe überhaupt keine Lust mehr zu rasen. Es heißt, dass man als Rennfahrer gefährlich lebt, aber ich fordere lieber auf der Rennbahn das Glück heraus als auf dem Highway.“

Diese Sätze fielen am 17. September 1955 und Dean endete mit den Worten: „Fahrt vorsichtig! Vielleicht bin ich es, dem ihr damit eines Tages das Leben rettet.“ Am 30. September 1955 kam es dann zu dem verhängnisvollen Crash. Bei einer späteren Rekonstruktion seines Unfalles stellte sich unter anderem heraus, dass James Dean keinesfalls zu schnell gefahren war, wie zunächst vermutet wurde. Er hatte allerdings seine Scheinwerfer trotz Abenddämmerung nicht eingeschaltet und fuhr ungebremst in den Ford seines Kontrahenten. Sein Beifahrer war schwer verletzt, sein Kontrahent kam mit einem Schock davon und Dean verstarb bei der Kollision.

Es ist recht erstaunlich, dass sich auch heute noch, nach dieser langen Zeit, sich ein solcher Mythos um James Dean erhalten konnte. 

Die Kreuzung, an welcher sich jener verhängnisvolle Unfall ereignete, wurde inzwischen in "James Dean Memorial Junction" umbenannt, wie ein Hinweisschild verkündet. Die Fotos stammen vom 23. März 2006.

BT0062

Welle aus Stein

Wave Rock bei Hyden, Australien

Würde die Zeit still stehen, so wäre auch jede Welle aus Wasser eine Welle aus Stein. Im Auge des Betrachters entsteht Wirklichkeit!

Um einiges älter als die Aborigines, welche jenes Land bewohnten, ist der Ort, an dem sich dieser bemerkenswerte Fels erhebt. Die Bezeichnung 'Wave Rock - Welle aus Stein' ist deshalb keine Erfindung der Weissen, die in das Land kamen; die Aborigines nannten ihn bereits mit gleichem Namen.

Eine etwa 15 Meter hohe und rund 110 Meter lange steinerne Welle, von Wind und Wetter jahrtausendelang aus Granitgestein geformt, bieten sich dem Betrachter. 2,7 Milliarden Jahre soll der Wave Rock alt sein

Der Wave Rock liegt in Australien an der Grenze zwischen dem Outback und dem sogenannten 'australischen Weizengürtel'. Er ist in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten 'Must see-Plätzen' in Australien geworden. Einigermaßen gut befahrbare Verkehrswege bringen etwa 140.000 Besucher jährlich zu dem Felsen. Um aber lediglich die Felswand zu sehen und wieder weiter zu fahren, dafür lohnt sich die weite Anreise kaum; von Perth aus und wieder zurück ist es gut eine Tagesreise von jeweils 350 Kilometer, meist durch staubige Steppenlandschaft, um den Fels zu sehen. Da bietet sich schon eher eine mehrtägige Reise an. Im unweiten Lake Magic gibt es Gelegenheit zum Segeln, Schwimmen und Bootfahren, Farm Touren lassen die Besucher einen Einblick in das heutige Leben im Outback tun, geführte oder individuelle Wanderungen durch die Felsenlandschaft und die Wildnis führen ihn zurück in die Ursprünglichkeit des uralten Kontinents.

Vor allem in der Zeit von September bis November eignet sich die Umgebung von Wave Rock hervorragend zu wunderschönen Wanderungen durch die Farbenpracht der Frühlingsblumen des Buschlandes. Markierte Wanderwege bieten sich für kleinere und größere Wanderungen an. Gleich anschließend an das Gelände um Wave Rock gibt es einen Wildpark mit den typischen australischen Bewohnern vom Känguru über Koalas bis zu Emus und Wombats.

Es gibt aber auch noch weitere interessante Felsen rund um Wave Rock. Der 'Hippos Yawn' ist ein Granifelsen, der an ein aufgerissenes Nilpferdmaul erinnert. Neben mehreren kleinen Felswellen gibt es auch noch Mulkas Höhle. Die ursprünglich dort lebenden Aborigines waren der Sage nach von Mulkas Geist dorthin vertrieben worden. Die Aborigines fürchten ihn noch heute und viele der Ureinwohner meidendeshalb diese Gegend. Mulka war vor seinem Tod ein bösartiger Tyrann, so sehr, dass er auch als Geist keine Ruhe findet.

Wir waren am 15. Januar 2006 beim Wave Rock. Von diesem Tag stammen auch die Bilder. Unsere Ruhe fanden wir dann wieder, als wir zurück im Hotel in Perth waren.

BT0061

Bad gefällig?

Römische Thermen in Mamer, Luxemburg

Drei Dinge braucht der Mann zum Genuss: Feuer, Pfeife und ein kalter Wasserguss! Manchmal hilft auch ein Zufall.

Wer an der Ortseinfahrt zu Mamer durch den Kreisverkehr entlang der Route d‘Arlon von Luxemburg Richtung Belgien fährt, ahnt im Allgemeinen kaum, dass er mitten durch ein ehemaliges römisches Dorf kutschiert. Bei so schönem Wetter wie an jenem Tage liebe ich es, eher ziellos durch die Landschaft zu fahren, doch meist führt mich der Zufall zu einem reizvollen Plätzchen, an dem es sich lohnen könnte, spazieren zu gehen und ein wenig zu fotografieren. Diesmal bin ich bei den Thermen in der Nähe von Mamer gelandet, die ich bisher noch nicht kannte.

Diese Überreste römischer Thermen und eines Dorfes wurden 1972 bei archäologischen Ausgrabungen nahe dem Tossebierg entdeckt. Das heutige Mamer war in der Römerzeit ein Rastplatz an einem Militär- und Römerweg, der von Reims in Frankreich durch Luxemburg nach Trier führte. Der Name dieses ehemaligen „vicus“ war Mambra und ich nehme an, daher stammt auch der heutige Name Mamer.

Die Anlage wurde um die Mitte des 1. Jahrhunderts erbaut, mehrere Umbauten im 2. und 3. Jahrhundertfolgten. Zerstörung um 275 im Zuge von germanischen Überfällen auf die römischen Siedlungen. Auf den Trümmern des Bades wurde im 4. Jahrhundert eine große Halle errichtet, die kurz nach 400 zerstört wurde.

Nach der Ausgrabung wurden die Thermen saniert und in den heutigen Zustand gebracht. Von der Straße aus erreicht man einen eigens angelegten Parkplatz. Von ihm aus führt eine kleine Parkanlage mit Bänken, die zum Rasten einladen, zu den Thermen. An den Thermen entlang führt ein kleiner Mamer Bach, der dieser Fleckchen seine besondere Idylle verleiht.

Selbst meinem Hund hat es hier gefallen. Leo ist ein reinrassiger tibetanischer Spaniel. Diese Rasse wurde früher in Klöstern zur Bewachung (und als Fußwärmer für die Mönche!) eingesetzt. Dies zeigt sich noch heute daran, dass ein Tibet Spaniel mit großer Vorliebe und erstaunlichem Geschick auf altem Gemäuer herum zu klettern vermag! So waren die Thermen ein 'gefundenes Fressen' für ihn, nach dem man sich schon einmal die Nase leckt.

Alles in allem ein entspannter, angenehmer und sogar lehrreicher Nachmittag, abseits von den sonstigen Kreiseln, durch die man täglich hindurch gesteuert wird. Die Aufnahmen stammen vom 18. April 2011.

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Inversionsbrühe im Suppentopf

Santiago de Chile, Blick vom Cerro San Christóbal auf die Stadt

Jeder soziale Organismus, in dem das Zusammenleben der Menschen eine Rolle spielt, braucht so etwas wie eine Lunge, um seine verbrauchten Kräfte zu regenerieren, frische Lebenskraft einzuatmen.

Wie alle Millionenmetropolen der Welt hat auch Santiago de Chile mit zahlreichen Umweltproblemen zu kämpfen. Die Flüsse sind verschmutzt, die Entsorgung des Abfalls funktioniert nicht optimal. Es gibt zu viel Verkehr, zu viele Menschen auf engem Raum. Vor allem mit der Verschmutzung der Luft hat die Stadt zu kämpfen. Die Luftqualität in Santiago ist eine der schlechtesten der Welt.

Die Stadt liegt wie in einem Suppentopf gefangen: Ein Talkessel von etwa 50 Kilometer Durchmesser und rundum Gebirge. Je nach Wetter liegt eine Schicht Warmluft über der Stadt und die Stadtluft ist im Talkessel eingeschlossen; es herrscht eine Inversions-Wetterlage. Trotz zahlreicher Maßnahmen in den letzten 30 Jahren ist auch heute noch vor allem die Atemluft bedenklichen Werten ausgesetzt. Hinzu kommt im Sommer die Ozonbelastung.

Da ist es kein Wunder, dass die Städter, wann immer sie können, nach draußen in die Berge strömen - oder wenigstens am Wochenende die Hügel erklimmen, die aus der Großstadt herausragen.

Cerro San Cristóbal, Blick vom Amphitheater auf die Marienstatue

Der Cerro San Cristóbal im Stadtteil Bellavista ist einer der Hügel. Er ist jener Hügel, der am weitesten über die Stadt hinausragt und, weithin sichtbar, das Bild der Stadt prägt. 

Sein Gipfel ist ein beliebtes Ausflugziel. Man kann ihn, wenn man will, zu Fuß erreichen, und offenbar wollen einige, denn ich habe manchen Jogger und auch Radler die Strecke sich hochmühen gesehen. Man kann aber auch mit dem Auto die Mautstraße hochfahren oder eine der beiden Seilbahnen benutzen. Am Ende der Calle Pío Nono, auf dem die Stadt überblickenden Hügel in 288 m Höhe, befinden sich ein Zoo, Restaurants, Picknickplätze und ein Botanischer Garten. Zwei schön gelegene Freibäder runden das Freizeitangebot ab.

Der Blick vom Gipfel aus führt über die verschiedenen Stadtteile hinweg zu der in Sichtweite liegenden Andenkette und vor allem in der Abendsonne bietet sich dem Betrachter von der Spitze des Hügels aus ein herrlicher Ausblick. Auf dem Gipfel selbst befindet sich eine 22 Meter hohe Muttergottes-Statue. Sie wurde in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom französischen Staat gestiftet. Steigt man die Treppen zu der Statue empor, durchquert man ein Amphitheater und kann in der Kirche unter der Statue Einkehr halten.

Cerro San Christóbal, Blick vom Amphitheater auf die Kirche

Dieser schöne Hügel wird zwar nicht die Umweltprobleme der Stadt lösen können, aber er trägt doch für die Bewohner der Stadt maßgeblich zu einer besseren Lebensqualität bei.

Die Aufnahmen stammen vom 27. Dezember 2009.

BT0059

Wie der White Pass seine Eisenbahn bekam

Historische Lok mit Schneefräse in Skagway, Alaska

Zuerst kommt der Traum, dann das Ziel. Menschen, die an beidem festhalten, können das scheinbar Unmögliche vollbringen.

Die Yukon Route über den White Pass verbindet Skagway mit Whitehorse. Kapitän Billy Moore, der erste Einwohner Skagways, begann schon fast ein Jahrzehnt vor dem Klondike-Goldrausch die Werbetrommel für seine Idee zu rühren. Er wollte eine Eisenbahnlinie von Skagway aus bis zum Oberlauf des Yukon bauen.

Als dann der Goldrausch einmal im Gange war, boomte die Schifffahrt auf dem Yukon. Jetzt war es an der Zeit, Moores Pläne in die Tat zu umsetzen. Um nach Dawson City zu gelangen, musste man vor dem Bau nicht nur den langen Weg über den Ozean bewältigen, sondern auch noch eine äußerst beschwerliche Schiffreise hinter sich bringen. Mit einer Bahnlinie von Skagway aus ginge die Reise sehr viel einfacher vonstatten.

Goldsucher mit Gepäckträger - für sie wurde die Eisenbahn gebaut

Der White Pass schien als Eisenbahnlinie am ehesten geeignet zu sein. Der Chilkoot Pass war viel zu steil, felsig und schneebedeckt, und der Chilkat River nördlich von Haines Mission war zu weit vom Yukon River entfernt. Manche schlugen vor, eine Eisenbahn entlang des Stikine River von Wrangell aus zu bauen, andere wiederum meinten, man könne den Taku River dafür benutzen. Alle sonstigen Alternativen konnte man guten Gewissens bereits im Vorfeld verwerfen. Letztlich entschied man sich also für den White Pass als Route, auch wenn es fast unmöglich schien, hier eine Bahnlinie zu bauen.

Im Jahre 1898 wurde dann der Bau der Route über den White Pass zum Yukon organisiert. Die Leute, die ins Land geschickt wurden, um den Bau auszuführen, glaubten selbst nicht an das Gelingen, zu abwegig war die Vorstellung, eine Bahn über das gebirgige Gebiet zu führen. Doch von ihrem im Eisenbahnbau sehr erfahrenen Bauleiter ließen sie sich schließlich überzeugen.

Dann ging es los. Zunächst kaufte man eine sechs Kilometer lange Fahrstraße, die bereits vorhanden war, und begann dann mit dem Bau, obwohl man noch gar keine Wegerechts-Genehmigung der kanadischen und amerikanischen Regierungen durch den Pass erhalten hatte. Bis Juli 1898 waren die Geleise auf der Fahrstraße gelegt und die neue Eisenbahngesellschaft begann sofort damit, auf dieser Strecke Passagiere zu befördern.

Im Februar 1899 erreichten die Bahngleise den Scheitelpunkt des White Pass und im Juli war man in Lake Bennett angekommen. Eine zweite Mannschaft hatte damit begonnen, Gleise von Whitehorse aus in Richtung Skagway zu verlegen. Schließlich trafen sich die beiden Bautrupps am 29. Juli 1900 in Carcross.

Der Hafen von Skagway zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Anders als die meisten Eisenbahnstrecken finanzierte sich die White Pass-Yukon Route bereits, als der Bau noch in vollem Gange war. Man beförderte nämlich schon während der zwei Jahre dauernden Bauzeit zahlende Passagiere auf den fertig gestellten Bauabschnitten. Bis es dann soweit war, dass die Züge die gesamte Strecke zwischen Skagway und Whitehorse befahren konnten, war die White Pass-Yukon Route eine der wenigen Eisenbahnlinien in Nordamerika, die, obwohl sie ohne staatliche Mittel gebaut wurde, ihre gesamten Baukosten vor der Fertigstellung hereingefahren hatte.

Die White Pass & Yukon Route stellte 1978 den regulären Fahrdienst zwischen Skagway und Whitehorse ein. Doch für die zahlreichen, mit den Kreuzfahrtschiffen in Skagway eintreffenden, Touristen fahren im Sommer auch heute noch Ausflugszüge vom Depot in Skagway aus in den White Pass ein. Die Route führt sie entweder zum White Pass hoch oder zu dem ehemaligen Startpunkt, dem Lake Bennett, von wo aus die Goldsucher früher mit Flößen und Booten gestartet waren, um über den Yukon nach Dawson City zu gelangen.

Der Hafen von Skagway zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Die Aufnahmen stammen vom 25. Juli 2008.

BT0058

In den Schluchten des Humahuaca

Purmamarca am Fuße des Cerro de los Siete Colores

Schwarz-Weiß-Malerei findet man nur bei den Menschen. Die Natur malt in Farbe!

Es wundert überhaupt nicht, dass die Schlucht von Humahuaca von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Nicht nur die atemberaubende Landschaft, auch die Geschichte des Landes, die bis in die heutige Zeit überlieferte Kultur der Menschen, die dort zuhause sind, machen eine Reise durch dieses Tal zu einem einmaligen, unvergesslichen Erlebnis.

Etwa auf halber Distanz zwischen Jujuy und Humahuaca führt eine Andenstraße gen Westen über das Gebirge nach Chile. Folgt man dieser Straße, gelangt man nach wenigen Kilometern zu jenem Berg, über den der Herrgott seinen Malkasten ausgeworfen zu haben scheint, den „Berg der sieben Farben“. Die Einheimischen nennen ihn Cerro de los Siete Colores.

Am Fuße des Berges liegt das Indiodorf Purmamarca, dessen pastellfarbene Terracotta-Häuser sich harmonisch in das Bild der Landschaft einfügen. Die Indios dort sind arm, und doch hat ihnen der seit wenigen Jahren einströmende Tourismus einen für ihre Verhältnisse gewissen Wohlstand beschert. Etwas anderes zum Broterwerb haben die Bewohner des Ortes nicht, und so findet sich auf dem großen Marktplatz des Dorfes ein ebenso großer Markt für die Touristen, die entweder auf der Durchfahrt nach und von Chile sind oder auf dem Weg von Salta nach Bolivien extra einen Abstecher zum „Farbenberg“ gemacht haben.

Blick auf Cerro de los Siete Colores

Purmamarca liegt friedlich, noch schläfrig in der Morgensonne, als wir eintreffen und zunächst eine kleine Rundfahrt durch die Stadt machen, um uns einen Eindruck zu verschaffen. Eine große Rundfahrt ist ohnehin nicht möglich, denn es stehen dafür nur einige wenige, quadratisch angelegte, Straßenreihen zur Verfügung. Rund um den Marktplatz mustern uns die Indios vor ihren bunten Marktständen neugierig-gelangweilt, warten darauf, dass wir aussteigen, uns über ihre Schätze hermachen.

Cerro de los Siete Colores

Doch zuerst interessiert der Berg. Es gibt einen kleinen Pfad, der ein Stück weit um den Berg herum führt. Es ist notwendig, das Farbenspiel von vielen verschiedenen Plätzen aus zu betrachten, will man die ständig wechselnde Farbenpracht voll auskosten. Leider haben Touristen nie Zeit, es geht ihnen da wie den enkelkinderhütenmüssenden Rentnern zuhause. Und so entartet das beschauliche Betrachten eines Wunders der Natur nur allzu leicht zu einem hektischen Gerenne, um „die besten und schönsten“ Bilder zu schießen. Aber der Bummel durch den Markt muss sein, die Ruhe der Marktständler wirkt ansteckend, und so finden wir ein wenig die notwendige Muße, um wenigstens ein kleines Bisschen in Kultur und Geschichte der Indios einzutauchen. Auf dem Markt ist vom Lamapullover über Ponchos zu handgefertigten Souvenirs alles zu haben, was den Besuchern locker die Geldbörse zücken lässt.

Auf dem Marktplatz von Purmamarca

Unsere Frauen kümmern sich um das Textile, Wollige, Haarige und Schmucke, mit anderen Worten um alles das, was Frau so zum Anziehen braucht, vom Wadenschoner bis zum Kopftuch. Unser Haus- und Hoffotograph hält dies alles im Bilde für die Nachwelt fest; das Entzückende an seiner Arbeit ist Mal ums Mal, dass er Dinge sieht und bannt, die einem selbst entgangen sind. Da ich mich für Historisches interessiere, erstand ich von einem der Indios ein Schachspiel und ein Paar Wollhandschuhe, dessen Preise mangels Sprachkenntnisse mit den „sprechenden Fingern“ ausgehandelt wurden.

Das Schachspiel hat seinen besonderen Reiz, weil hier nicht Schwarz gegen Weiß spielt, sondern poppigbunte Indios gegen armierte Spanier – die Wurzeln und die Wunden führen schnurgerade in den fünfhundertjährigen Konflikt mit den Eroberern hinein! Ja, und die Handschuhe ohne Fingerkuppen waren zwingend geworden, nachdem ich vor wenigen Tagen noch, auf Pinguinjagd mit der Kamera, in der Antarktis herumgekrebst war und manches Mal beim Bedienen die Fingerkuppen hätte gut gebrauchen können. Zwar waren die Handschuhe in der Hitze der Humahuaca-Schlucht fehl am Platze, aber zuhause in Deutschland würde es wohl wieder kalt werden beim Filmen – und ich sollte Recht behalten mit meiner Prophetie; als hätten wir die Kälte in den Koffern mit nach Luxemburg importiert.

Affenbrotbaum im Kirchgarten von Purmamarca

Im Vorgarten der schön anzusehenden, historischen Dorfkirche steht ein schattenspendender Affenbrotbaum, der gut und gerne seine 1000 Jahre auf dem Buckel hat, und so steht er denn auch auf zahlreichen Krücken. Ein Zeitzeuge also, direkt am Fuße des Berges. In seinem Schatten wurde so mancher Becher Chica als Friedenstrunk geleert, so mancher Soldat legte zwischen den Schlachten sein blutiges Haupt dorthin.

Iglesia de Santa Rosa de Lima, Purmamarca

Die Kirche selbst nennt sich Iglesia de Santa Rosa de Lima. Sie ist ein Zeugnis für den klassischen Baustil der Quebrada, eine weiß-getünchte Adobe-Kirche aus dem Jahre 1648 und seit 1941 Nationaldenkmal.

Eingang zum Kirchhof mit Blick auf Cerro de los Siete Colores

Wieder schweift der Blick hinauf zum Berg. Du kannst dich nicht satt sehen an seiner Farbenpracht. Doch es ist Zeit, Abschied zu nehmen, die Fahrt durch die Schlucht muss weitergehen, wenn wir das Tagespensum unseres Reiseführers erfüllen wollen. Natürlich werden wir ihm diese Freude machen, denn schließlich will man ja auch nichts verpassen auf der Reise durch dieses schöne, weite, aufregende Land.

Madonna von Purmamarca

Und über allem thront das Gnadenbild, das allgegenwärtige religiöse Symbol der Menschen in dieser Region. Die Aufnahmen stammen vom 05. Dezember 2009.

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Von den Kelten besetzt

Keltenausstellung im Saarland, Völklinger Hütte 2011

Manche denken, es sei überflüssig, sich mit Geschichte zu befassen; Geschichte sei Vergangenheit und deshalb unnützer Ballast. Woraus aber soll die Menschheit in der Gegenwart für die Zukunft lernen, wenn nicht aus ihrer Vergangenheit und damit aus ihrer Geschichte?

Von Bedeutung für die keltische Wirtschaft waren Bergbau, Eisengewinnung und -Verhüttung. Die Völklinger Hütte ist ein Eisenwerk in der saarländischen Stadt Völklingen. Es wurde 1873 gegründet und 1986 stillgelegt, während die Kultur der Kelten bis in die Hallstattzeit etwa 800 v. Chr. zurückreicht. Schon unter diesem Aspekt würde es höchst interessant sein, die Bedeutung des Eisens von damals mit der Bedeutung des Eisens in der modernen Zeit an einem einzigen Ort, zur selben Zeit und aus erster Hand sehen zu können.

Zur Ausstellungshalle umfunktionierte Maschinenhalle

In der Völklinger Hütte fand in diesem Jahr die Ausstellung „Die Kelten – Druiden. Fürsten. Krieger.“ statt. Am 16. April 2011, an dem auch diese Fotos aufgenommen wurden, war es endlich so weit, dass ich meinen seit langem geplanten Besuch dieser Ausstellung durchführen konnte. Das Erlebnis war überwältigend.

Keltische Gebrauchsgegenstände, Funde ca. 500 v. Chr.

2.500 Jahre alte Funde aus der Eisenzeit in einer großen Halle mit gewaltigen Maschinen und Apparaten, mit denen bis ins 20. Jahrhundert der Neuzeit Eisen verarbeitet wurde, diese Kombination fand ich außerordentlich gelungen. Selbst eine Gemeinsamkeit zwischen den Exponaten und den Maschinen habe ich finden können: Rost!

Hölzerner Keltenwagen aus der Eisenzeit

Die Kelten setzten Wagen, die von Pferden wurden, für den Transport von Waren und Gütern ein. In der älteren Eisenzeit hatten diese Wagen vier Räder. Die Radfelgen waren aus Holz, darauf nagelte man eiserne Radreifen fest. Dass die Reifen aufgenagelt wurden, ist typisch für diese Zeit. In der jüngeren Eisenzeit brauchte man keine Nägel mehr, da man die Reifen heiß aufzog. Wagen mit vier Rädern sind in ihrer Geschwindigkeit und Wendigkeit begrenzt. Vierrädrige Wagen wurden oft auch als Zeremonialwagen benutzt. Ihre wertvolle Ausstattung diente dazu, den hohen religiösen und gesellschaftlichen Rang ihrer Besitzer zu demonstrieren.

Ausbreitung der Kelten ab 800 v. Chr. über Europa

Zwei Stunden intensiven Beobachtens und Studierens, unterbrochen von ständigen Stromausfällen durch einen Kurzschluss ausgerechnet an diesem Tag, wodurch immer wieder andere Exponate im Dunkeln lagen. Doch diese Störung erhöhte eigentlich nur noch den Reiz wegen der dadurch sich ergebenden Schattenspiele zwischen den einzelnen beleuchteten und unbeleuchteten Exponaten. Für mich war es ein Muss, mir auch einen Ausstellungskatalog mit phantastischen Abbildungen aller Exponate zu erwerben. Auf fast 300 Seiten sind darin sämtliche Ausstellungsstücke abgebildet und erläutert.

Nicht zu Unrecht, so finde ich, zählt die Völklinger Hütte zu den UNESCO Weltkulturerbestätten. Sie alle zusammen vermitteln gemeinsam ein beredtes Zeugnis der menschlichen Kultur- und Weltgeschichte. 

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