Ushuaia und das Museum am Ende der Welt

Ushuaia, Obelisk am Kanal

Vermessen ist's, den anderen mit eig'nem Maß zu messen. Und manchmal tödlich!

Weit unten, auf Feuerland in Südamerika, liegt Ushuaia, das lange Zeit als die südlichste Stadt der Erde galt. Inzwischen beansprucht aber die noch weiter südlich gelegene chilenische Ansiedlung Puerto Williams diesen Titel.

Ushuaia ist die Hauptstadt der argentinischen Provinz Feuerland, einem rauen, fast unwirtlichen Landstrich, durchzogen von Inseln und Inselchen und den Unbilden des Wetters scheinbar schutzlos ausgeliefert. Über 3.500 km von Buenos Aires entfernt, liegt der Ort direkt am Ufer des Beagle-Kanals.

Die ersten Bewohner der Inselgruppe waren Yamana-Indianer. Sie lebten als Wasser-Nomaden und befuhren mit kleinen Rindenkanus das Meer, ernteten Meeresfrüchte und fingen Robben, Seelöwen und Fische. In ihren Kanus brannte stets ein kleines wärmendes Feuer. Dafür hatten sie kleine Töpfe, die sie auf ihre Reisen mitnahmen. Diese Töpfe waren mit Tran gefüllt, den sie entzündeten. So konnten sie, wenn es nötig war, auch überall, wo sie an Land gingen, Feuer machen.

Diese kleinen Leuchtpunkte und die Feuerstellen der Hütten am Ufer waren der Grund für den Namen „Feuerland“, mit dem das Gebiet von den spanischen Eroberern bezeichnet wurde. Tatsächlich aber sahen die spanischen Eroberer kein Feuer an den Küsten, sondern überall Rauch aufsteigen, wie von vielen kleinen Kaminen. Diese Beobachtungen berichteten sie nach Hause und erst dort, von Leuten, die niemals in Feuerland waren, wurde der Name „Feuer“-Land geprägt, nach dem Motto „Wo Rauch ist, da muss auch Feuer sein“!

Nationalpark Feuerland

Als die ersten Weißen im Gebiet der Yamana auftauchten, bekamen die Indianer ein ernsthaftes Problem, welches schließlich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu ihrem Aussterben führte. Robbenfänger, Schafzüchter, Walfänger und wer immer sich da unten tummelte, sie alle machten gnadenlos Jagd auf die Indianer. Es spielte sich das gleiche schreckliche Schauspiel ab wie überall andernorts auf der Erde, wo Besatzer auf Ureinwohner trafen. Geradezu als müssten sie zwanghaft ein Verhaltensmuster befolgen, knallten sie diese Menschen einfach ab oder töteten sie auf andere Weise. Dabei kann Angst vor den Fremden wohl kaum ein Grund gewesen sein, denn diese waren friedliebend und harmlos. Da wären wohl schon eher Gier, Machtbesessenheit und Mordlust als Antriebskräfte zu nennen!

Das endgültige Aussterben der einheimischen Menschen wurde aber paradoxerweise durch Missionare und Eiferer bewirkt, die in eigentlich wohlgemeinter, aber törichter Absicht versuchten, den Indianern zu helfen. Die Missionare gaben ihnen in Puerto Eden (welch zynischer Name für diese Tragik!) Zuflucht, steckten sie in Wellblechhäuser, gaben ihnen zu essen und versorgten sie mit Kleidung. Sie taten alles, was nach ihrer Vorstellung gut und richtig war.

Aber die Indianer mussten das Essen der Weißen essen, nicht mehr das, was ihre Körper wirklich benötigten, und Mangelerscheinungen, Krankheiten waren die Folge dieser erzwungenen Nahrungsumstellung.

Yamana-Boot

Die Kleidung, die sie erhielten, waren die damals bei den Europäern üblichen Baumwollkleider. Nun stelle man sich vor, mit dieser Kleidung in Kajaks auf Jagd zu gehen. Die Kleidung, durchnässt, gefriert und gibt diese Menschen schutzlos der Witterung preis, wo sie sich doch ursprünglich umstandsgerecht mit den Fellen der erlegten Robben kleiden und mit ihrem Fleisch und Tran ernähren konnten! Solche Strapazen konnten auch die robustesten Menschen nicht auf Dauer schadlos ertragen. Man kann sagen: Wer das Massaker der Siedler und Jäger überlebte, wurde von den Missionaren im „Garten Eden“ in bester Absicht zu Tode gepflegt. So hart muss man das auch sagen, um deutlich zu machen, welche tragischen Leidens- und Sterbeprozesse sich für die Yamana abgespielt haben.

Raues Klima bedingt einen rauen Menschenschlag, für sensible Gemüterchen bleibt da kein Raum. Auch hier, buchstäblich an das Ende der Welt, in dieses unwirtliche Klima hinein, verschleppte man die Außenseiter der Gesellschaft, ihre Verbrecher und Strafgefangenen. Man gründete an der Stelle der heutigen Stadt Ushuaia eine Strafkolonie, baute ein Zuchthaus und lud dort alle Verbrecher ab, derer man sich entledigen wollte. Inzwischen ist dieses Zuchthaus seit einem Jahrhundert bereits geschlossen und man kann in ihren Mauern in einem dort eingerichteten Museum die Geschichte des Gefängnisses und die Lebensbedingungen jener Zeit nachvollziehen.

In der Stadt selbst gibt es noch ein weiteres, nach meinem Empfinden weit interessanteres Museum, das „Museo del Fin del Mundo“, Museum am Ende der Welt. Allem, was an historischen Ereignissen erwähnenswert ist, kann man dort auf die Spur kommen, indianische Relikte sehen, Berichte über Schiffe, die im Beagle-Kanal gestrandet waren, Präparate einheimischer Tiere und dergleichen. Selbst die Originalbestuhlung der ehemaligen Provinzregierung Feuerlands befindet sich dort noch wohl erhalten im Originalzustand.

Ushuaia, Museo del Fin del Mundo

Das Museum ist inzwischen in zwei verschiedenen Gebäuden untergebracht. Beide liegen direkt am Hafen von Ushuaia, von wo aus die Forschungsexpeditionen in die Antarktis starten. Man kann also, wie ich es getan habe, zuerst einen letzten Besuch im Museum machen und sich unmittelbar danach auf die Reise begeben, eine Reise in das „große Abenteuer Antarktis“, über das ich an anderer Stelle berichte. Von Ushuaias Hafen aus hat man einen wunderbaren Panoramablick auf die umgebenden Bergketten der chilenischen und argentinischen Ausläufer der Anden.

Überhaupt ist die Gegend um Ushuaia von einer außergewöhnlichen Schönheit. Nur einen Katzensprung von Ushuaia entfernt befindet sich der „Nationalpark Feuerland“. Hier ist es, wo Natur ihren Namen verdient, der Mensch noch atemlos eintauchen kann in das Unberührte, in das sich selbst überlassene Schöpfungsgeschehen, in dem alle Erscheinungen wie in einem gigantischen Uhrwerk harmonisch ineinander greifen und jedes noch so unscheinbare Wesen seinen Platz im großen Ganzen eingenommen hat. Hier ist es aber auch, wo man das unheilvolle Eingreifen der europäischen Menschen und seine schädlichen Erfolgen sehr drastisch erleben kann. Man hatte Kaninchen mit in die Gegend gebracht, das hat dem Fuchsbestand zwar gut getan, aber den Pflanzen der Region in hohem Maße geschadet. Man hat den Biber ins Land gebracht, in ein Land, wo er nicht hin gehörte. Dieser hat dann folgerichtig durch seine Dammbauten die Flora und Fauna der Gegend nachhaltig durcheinander gebracht, teilweise unwiederbringlich zerstört.

Biberschäden im Nationalpark

Die Tierwelt hier in dieser Gegend ist außerordentlich vielfältig. Alle Tiere sind ungewöhnlich zutraulich. Man muss die exotischen Geschöpfe nicht einmal suchen, sie finden einem, laufen einem über den Weg oder fliegen behände direkt vor die Linse: Seelöwen, Seehunde, Kormorane, Seeschwalben, Pinguine und was sonst das Herz begehrt.

Das Museum am Ende der Welt ist der Anfang einer neuen Sicht auf die Welt! Wie sahen und fotografierten dort am 21. November 2009.

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Estación del Fin del Mundo - Bis ans Ende der Welt

Haltestelle am Ende der Welt

Im äußersten Süden Argentiniens auf Feuerland liege das Ende der Welt, sagt man. Dort enden alle Straßen irgendwo im Nirgendwo. Doch es gibt eine Eisenbahnstation, die 'Estación del Fin del Mundo'.

Die Eisenbahn, die zu dieser Station hinführt und von ihr wegführt, existiert nur deshalb, weil es früher an diesem Ort ein Gefängnis ab - bis an das Ende der Welt schob man die Unholde ab. Es gab dort beileibe nicht nur Schwerbrecher, auch politische Gefangene mussten ihr Dasein fristen. 

Das Gefängnis existiert heute nicht mehr, es wurde nach Ushuaia verlegt. Ursprünglich aber mussten die Gefangenen ihr Gefängnis selbst bauen und gleich auch noch eine Eisenbahn für den Materialtransport dazu.

Die Geschichte begann 1870, als englische Missionare in das Gebiet eindrangen. Einige Jahre später waren es Seestreitkräfte, die Ushuaia für Argentinien eroberten. 1902 begann der Bau des 'Presidio', des Gefängnisses, das einschliesslich einer Schmalspur-Eisenbahn, bis 1920 fertiggestellt war. 1947 gab es ein schweres Erdbeben und Teile der Strecke wurden unpassierbar. 1994 wurde die Bahn wieder eröffnet und wird seitdem zur Beförderung von Touristen eingesetzt. Es ist eine Schmalspurbahn mit 500 mm Spurweite. Sie führt direkt in den Nationalpark 'Tierra del Fuego', er liegt natürlich auch am Ende der Welt.

Im Jahre 1930 sank ein großes Passagierschiff in unmittelbarer Nähe. Es handelte sich um ein Motorschiff der deutschen Reederei 'Hamburg Süd', die Monte Cervantes, mit einem deutschen Kapitän an Bord. In einer dramatischen Rettungsaktion wurden alle Passagiere gerettet, doch der Kapitän kam ums Leben. Die gesamte Bevölkerung beteiligte sich an den Rettungsaktionen und selbst die Gefangenen gaben die Hälfte ihrer Decken und ihrer Tagesrationen an Nahrung für die Schiffbrüchigen ab.

Nicht nur die Monte Cervantes ist untergegangen. Viele Jahre später wurden auch die gesamten Schiffsunterlagen, die in der Reederei noch verwahrt waren, bei der großen Sturmflut in Hamburg 1992 vernichtet.

Nun also befördert man Touristen mit der Bahn an das Ende der Welt und ich kann Ihnen sagen: Ob damals oder heute, es ist ganz schön was los am Ende der Welt!

Und wenn du bis zum Ende der Welt entfliehst, dir selbst wirst du doch nicht entkommen können.

Die Aufnahmen stammen vom 21.11.2009. Sie zeigen die Stationstafel der Bahnstation vom Ende der Welt sowie eine der eingesetzten Bahnen.