Häuser für die Ewigkeit

La Recoleta - Prominentenfriedhof in Buenos Aires, Argentinien

Im Leben sind wir arm oder reich, im Tode aber alle gleich. Nur dass manche gleicher sind.

Wenn man in Buenos Aires das Exklusive sucht, geht man nach Recoleta. Dieser Bezirk der Stadt liegt nördlich des Zentrums am Río de la Plata und ist eines der teuersten und reichsten Viertel der Stadt.

Ein Franziskanerorden mit Namen 'Convento de Recoletos Descalzos' errichtete zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine Kirche und einen Friedhof. Daraus entstand das heutige Zentrum von Recoleta und auch der Name des Ortes.

Vom Zentrum der Hauptstadt bis nach Recoleta ist es heute nur ein Katzensprung, im 19. Jahrhundert war das noch anders, da war man hier noch abgeschirmter. Bei einer großen Epidemie im Jahre 1870 flüchteten viele Bewohner aus der Stadt Buenos Aires und suchten in den umliegenden Orten Schutz. Schon damals kamen die Reichen aus der Oberschicht nach Ricoleta, während die arme Bevolkerung in die südlicheren Stadtteile flüchten mussten. Recoleta liegt auf einer Anhöhe, dort gab es weniger Stechmücken und damit auch weniger Risiko, Cholera oder Gelbfieber zu bekommen. So entstanden hier große Villen und eines der reichsten Zentren Südamerikas im Laufe der Jahre.

Unter den Sehenswürdigkeiten von Ricoleta nimmt, so merkwürdig das scheinen mag, der Friedhof ein. Hier ist die letzte Ruhestätte vieler prominenter Argentinier und ganze Familienclans aus mehreren Generationen sind dort bestattet. Auch das Grabmal der von den Argentiniern ganz besonders verehrten Evita Peron kann man hier besuchen. Es ist für Touristen leicht zu finden, denn man braucht nur zu schauen, wo die größte Menschentraube ist, dort ist auch ihr Grab!

Eng auf eng steht ein Mausoleum neben dem anderen, teils hübsch geschmückt, teils seit Jahren nicht mehr gepflegt, weil die Familien ausgestorben sind. Die Gebäude selbst sind Schmuck, Zierde und manche haben einen Altar im Inneren. Die Gebeine ruhen hingegen unter der Erde und bei vielen Gräbern kann man die Treppen sehen, die nach unten ins Beinhaus führen. Wer sich über die Namen der prominenten Toten etwas näher informieren möchte, dem wird auffallen, dass meistens nur das Sterbedatum angegeben ist, nicht jedoch das Geburtsdatum. Warum dieser Brauch existiert, weiß ich nicht, allerdings ist mir aufgefallen, dass die Argentinier wohl ein ganz besonderes Verhältnis zum Tod haben und ihn mancherorts sogar als Heiligen verehren.

Die Grabhäuser sind in Fluchten angeordnet, gerade so als wären es Straßen, an denen noch Lebende wohnen. Lebendig sind jedenfalls die zahllosen Katzen, die sich mit Beginn der Abenddämmerung am Friedhof einfinden. Es hat sich bei der Bevölkerung die Sitte eingebürgert, hier abends die streunenden Katzen zu füttern, so dass es zu dieser Zeit recht tierisch-lebendig zugeht.

Evita Peron, deren Grab die Mengen magisch anzieht, wurde nur 33 Jahre alt. Sie war Präsidentengattin und First Lady Argentiniens. Sie war selbst politisch aktiv, ohne dass sie je ein politisches Amt bekleidete. Sie starb früh an Krebs. Ihre Lebensgeschichte wurde in dem Musical 'Evita' dargestellt und auch mit Madonna in der Hauptrolle verfilmt. So ist ihre Popularität bis heute ungebrochen.

Am Grab von Evita Peron

Die Bilder entstanden am 8. November 2009.

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Tortoni und die Unsterblichkeit

Café Tortoni, Buenos Aires, Argentinien - mit Thérèse und Léon

Es gibt offenbar viele Wege, sich unsterblich zu machen, scheinbar unsterblich zumindest. Einer dieser Wege führt übers Eis, über den großen Teich, dann über die Kunst, zur rechten Zeit die rechten Leute am rechten Platz zu haben.

Guiseppe Tortoni, ein italienischer Auswanderer aus Neapel, war 1798 im Alter von 34 Jahren in Frankreich gelandet, vielleicht auch gestrandet. Er hatte seine alte, kranke Mutter dabei, sein nervtötendes Weib und drei schlechterzogene Kinder, so wird berichtet. Er kam mit einem schief-krumm-buckligen Gaul daher, aber immerhin dem einzigen 'Familienmitglied, das mich verstand und meine Träumereien unterstützte', wie er selber sagte. Ja, und ein Päckchen Bargeld hatte er auch noch dabei.

Er traf in Paris einen anderen Neapolitaner, der gerade im italienischen Viertel ein Café eröffnete. Er arbeitete für ihn, bis das Café pleite zu gehen drohte. Dann kaufte er es für einen Apfel und ein Ei, änderte den Namen in Café Tortoni und kreierte einen guten italienischen Nachtisch aus gutem neapolitanischem Eis. Signore Tortoni nannte es ebenfalls Tortoni. Es wurde sofort ein Hit.

Thomas Jefferson kam nach Mount Vernon, dem Landsitz von George Washington in Virginia, viele andere berühmte Leute auch. Sie wollten dort den Geburtstag von George Washington feiern. Jeder brachte, wie es Sitte war, als Geburtstagsgeschenk etwas zu essen mit. Thomas hatte ein 'Tortoni-Eiscrème-Dessert' von jenem verrückten Italiener Tortoni aus Paris dabei, dem neuesten Pariser Schrei aus dem Café Tortoni, wo er kurz zuvor gewesen war!

So war das Fundament zur Unsterblichkeit schon ganz am Anfang gelegt. Die Jahre vergingen, das Tortoni wurde immer berühmter, Schriftsteller, Reisende, und jeder, der etwas von sich hielt oder für etwas gehalten wurde, alle gaben sich die Klinke in die Hand.

Café Tortoni - Gründerzeit

Tortoni wurde 89, das Cafe überlebte noch bis 1893 und wurde dann geschlossen. Doch da gab es längst ein neues Café Tortoni jenseits des großen Teiches in Buenos Aires, Argentinien. Ein französischer Immigrant, Monsieur Touant, hat es 1858 eröffnet und seine Rechnung ging auf: Das Tortoni aus Paris war so berühmt geworden, dass der Name nahtlos auch in Buenos Aires Fuß fasste. Es kam die Zeit des 'Fin du Siècle'. Das Café zog um an seinem heutigen Platz und wurde dort neu in diesem Stil des Dekadentismus eingerichtet. So gut wie alle Neureichen geben sich seither ein Stelldichein im Tortoni, ich natürlich auch. Als wäre das Jahrhundert stehen geblieben, lässt sich die Dekadenz der frühen Jahre noch heute mit der Kamera einfangen.

Bei meinem Besuch im Tortoni am 9. November 2009 waren die Caféhausbesucher eher touristisch und die Caféhauspreise eher astronomisch. Ich fand es trotzdem phantastisch. Einstein war ja auch schon mal da! Und die Clinton, die Hillary. Herr Einstein und Mrs. Clinton.

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Im Delta des Tigers

Ausgedient und abgewrackt - Flussdampfer im Tigre-Delta

Wenn die Millionenmetropole Buenos Aires wächst, dann fließt sie gleichsam gen Norden, am Ufer eines Flusses entlang, der seine Mündung jedes Jahr um 40 Meter weiter zum Atlantik hin voranschiebt. Dieser Fluss, der Paraná, 4.500 km lang, bringt so viel Material aus seinem Hinterland mit und versandet so schnell, dass selbst der Mississippi und der Amazonas lahme Enten dagegen sind. Eines Tages wird Buenos Aires deshalb keine Hafen- sondern eine Binnenmetropole sein.

Das Tigre-Delta, welches der Paraná gebildet hat, ist von unzähligen Neben- und Querflüssen, Kanälen und Seitenarmen durchzogen und erstreckt sich über eine Fläche, die halb so groß ist wie die Niederlande. Hier gibt es keine Straßen, nur Wasser-Fahrbahnen, die Anlieger versorgen sich ausschließlich per Boot.

Es haben Raubkatzen hier gelebt, man hat sie aber verwechselt. Es waren Pumas, doch man dachte, es seien Tiger. So kam es also zu dem Namen "Tigre-Delta" für jene mächtige Flussmündung, obwohl nie ein Tiger seine Krallen hier ausgefahren hat!

Mächtig aber hat dafür der Rost genagt an diesem, sicherlich einst schönen, Flussdampfer, dem man hier an einem Seitenarm des Deltas seine letzte Ruhe gegönnt hat. Nicht verscharrt noch vergraben, sondern den überwuchernden Kräften der Natur überlassen. Jedermann kann zusehen, wie es geschieht, wenn man 'Gras über eine Sache wachsen' lässt; die ersten Bäume und Sträucher haben sich an Deck schon heimisch gemacht und schon bald wird das Gefährt von einem grünen Wuchs überzogen sein.

Alles in diesem schönen Flecken Land zeugt von Entstehen und Vergehen und schlägt im Puls des Lebens. Die Aufnahme wurde am 1. Dezember 2009 gemacht.

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