Tortoni und die Unsterblichkeit

Café Tortoni, Buenos Aires, Argentinien - mit Thérèse und Léon

Es gibt offenbar viele Wege, sich unsterblich zu machen, scheinbar unsterblich zumindest. Einer dieser Wege führt übers Eis, über den großen Teich, dann über die Kunst, zur rechten Zeit die rechten Leute am rechten Platz zu haben.

Guiseppe Tortoni, ein italienischer Auswanderer aus Neapel, war 1798 im Alter von 34 Jahren in Frankreich gelandet, vielleicht auch gestrandet. Er hatte seine alte, kranke Mutter dabei, sein nervtötendes Weib und drei schlechterzogene Kinder, so wird berichtet. Er kam mit einem schief-krumm-buckligen Gaul daher, aber immerhin dem einzigen 'Familienmitglied, das mich verstand und meine Träumereien unterstützte', wie er selber sagte. Ja, und ein Päckchen Bargeld hatte er auch noch dabei.

Er traf in Paris einen anderen Neapolitaner, der gerade im italienischen Viertel ein Café eröffnete. Er arbeitete für ihn, bis das Café pleite zu gehen drohte. Dann kaufte er es für einen Apfel und ein Ei, änderte den Namen in Café Tortoni und kreierte einen guten italienischen Nachtisch aus gutem neapolitanischem Eis. Signore Tortoni nannte es ebenfalls Tortoni. Es wurde sofort ein Hit.

Thomas Jefferson kam nach Mount Vernon, dem Landsitz von George Washington in Virginia, viele andere berühmte Leute auch. Sie wollten dort den Geburtstag von George Washington feiern. Jeder brachte, wie es Sitte war, als Geburtstagsgeschenk etwas zu essen mit. Thomas hatte ein 'Tortoni-Eiscrème-Dessert' von jenem verrückten Italiener Tortoni aus Paris dabei, dem neuesten Pariser Schrei aus dem Café Tortoni, wo er kurz zuvor gewesen war!

So war das Fundament zur Unsterblichkeit schon ganz am Anfang gelegt. Die Jahre vergingen, das Tortoni wurde immer berühmter, Schriftsteller, Reisende, und jeder, der etwas von sich hielt oder für etwas gehalten wurde, alle gaben sich die Klinke in die Hand.

Café Tortoni - Gründerzeit

Tortoni wurde 89, das Cafe überlebte noch bis 1893 und wurde dann geschlossen. Doch da gab es längst ein neues Café Tortoni jenseits des großen Teiches in Buenos Aires, Argentinien. Ein französischer Immigrant, Monsieur Touant, hat es 1858 eröffnet und seine Rechnung ging auf: Das Tortoni aus Paris war so berühmt geworden, dass der Name nahtlos auch in Buenos Aires Fuß fasste. Es kam die Zeit des 'Fin du Siècle'. Das Café zog um an seinem heutigen Platz und wurde dort neu in diesem Stil des Dekadentismus eingerichtet. So gut wie alle Neureichen geben sich seither ein Stelldichein im Tortoni, ich natürlich auch. Als wäre das Jahrhundert stehen geblieben, lässt sich die Dekadenz der frühen Jahre noch heute mit der Kamera einfangen.

Bei meinem Besuch im Tortoni am 9. November 2009 waren die Caféhausbesucher eher touristisch und die Caféhauspreise eher astronomisch. Ich fand es trotzdem phantastisch. Einstein war ja auch schon mal da! Und die Clinton, die Hillary. Herr Einstein und Mrs. Clinton.

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